© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/17 / 10. März 2017

Kampf um den Futtertrog
Politische Gewalt: Wenn es gegen vermeintlich Rechte geht, scheint alles erlaubt
Andreas Unterberger

Voltaire und viele andere Denker der Aufklärung haben es schon gewußt: Der entscheidende Beweis für Freiheit und Toleranz ist das Eintreten für die Meinungsfreiheit auch jener, deren Meinungen man selbst total ablehnt. Ein moralisches Recht, deren Freiheiten einzuschränken, besteht erst dann, wenn diese selbst die Meinungsfreiheit anderer einzuschränken versuchen.

In immer mehr Ländern wird diese Grundregel heute aber von Politik und Medien auf den Kopf gestellt. Immer öfter gilt: Grünes Licht zur Gewalt, rotes für unerwünschte Meinungen. Geht die Epoche des Rechts und der Demokratie wieder zu Ende? Droht ein neues Mittelalter? Die Meinungsfreiheit wird durch harsch gewordene Strafgesetze eingeschränkt (welche die Justizminister auf EU-Ebene vereinbart hatten). Reine Meinungsdelikte werden als „Verhetzung“, „Rassismus“ oder „Haß“ bestraft. Da noch dazu keiner dieser Gummibegriffe definierbar ist, können damit politische Gegner beliebig verfolgt werden. So wie es Rußland und die Türkei mit Hilfe ihrer Gummiparagraphen gegen „Staatsfeinde“ tun.

Dabei ist der wichtigste Inhalt des Grundrechts „Meinungsfreiheit“, daß Emotionen, Überzeugungen, Ideologien frei ausgedrückt werden dürfen, solange nicht zu Gewalt aufgerufen wird, ohne Rücksicht auf Zensoren. In Westeuropa ist es oft nur noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der die Meinungsfreiheit schützt. Aber bis dieser entscheidet, vergehen fünf bis zehn Jahre. Was kaum eine Regierung noch schert.

Während der Drang der Obrigkeit, unerwünschte Meinungen zu strafen, steil nach oben geht, während jedes Schimpfwort in einem Posting, jede abfällige Bemerkung auf Facebook die Politik-, Kultur- und Medienszene zum Hyperventilieren bringt, werden konkrete Gewaltakte immer öfter ignoriert und verharmlost – wenn sie nur von den „Richtigen“ gesetzt werden. Also von Linksextremisten oder Islamisten gegen „Rechte“, die unerwünschte Meinungen äußern.

So hat in den Niederlanden der aussichtsreiche Islamkritiker Geert Wilders aus Sicherheitsgründen sogar seinen Wahlkampf unterbrechen müssen. So werden in Frankreich Veranstaltungen der Front-National-Chefin Marine Le Pen für die Präsidentenwahl gewalttätig attackiert. So haben in Österreich Linksextremisten sogar einen bis heute nicht aufgeklärten Mordversuch gegen die (gewaltfrei agierenden) „Identitären“ unternommen.

So hat die selbsternannte sogenannte Antifa eine Apotheke in Berlin-Neukölln voll Stolz demoliert, weil diese keine „Pille danach“ verkaufen wollte. So wird ein Dresdner Richter auf Flugblättern, die in seiner Wohnumgebung verteilt werden, als „Nazi“ bezeichnet, nur weil er für die AfD kandidiert. So mußte der Mainzer AfD-Chef nach einer Attacke durch Unbekannte wegen einer Fraktur operiert werden. So gab es kurz danach einen Brandanschlag auf sein Auto. So wurde das Haus, wo ein Pegida-Führer zuletzt gemeldet gewesen ist, „abgefackelt“.

Zugleich lehnte die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen die Unterzeichnung eines Fairneß-Abkommens für die Landtagwahl am 14. Mai ab, weil auch die AfD dieses unterschrieben hat. So wurden in Lübeck die Teilnehmer einer AfD-Veranstaltung von linksradikalen Demonstranten aggressiv bedroht und als „Faschisten“ oder „Nazis“ beschimpft. So hatten davor Gewerkschaften und Grüne verlangt, diese Versammlung überhaupt zu verbieten. So erreichten die Linken in Kiel das Verbot einer AfD-Veranstaltung. So rief die SPD ganz offiziell zu Demonstrationen gegen die ersatzweise an einem anderen Ort abgehaltene AfD-Veranstaltung auf, und unterlegte dies – ohne irgendwelche Beweise – mit der Behauptung, die AfD wäre undemokratisch.

Das alles ist Hetze pur. Denn das einzig „Undemokratische“ an der AfD ist die von ihr ausgehende Gefahr für die etablierten Parteien. Eine objektive Justiz müßte solche SPD-Aufrufe zu Demonstrationen, die dann regelmäßig gewaltaffin werden, eigentlich als strafbare Anstiftung verfolgen.

Aber nicht doch gegen die Sozialdemokraten und Grünen! Diese zählen ja zu jenen Parteien, denen Europa gehört. Und damit offensichtlich auch die Justiz. Ihnen steht daher offenbar auch das Recht zu, neue Mitbewerber beweisfrei als „undemokratisch“ zu disqualifizieren. Zumindest so lange, bis man diese dann eines Tages braucht, um durch einen Koalitionspakt die eigene Macht abzusichern, wie die SPÖ-FPÖ-Koalition im Burgenland zeigt.

So durchschaubar das zynische Verhalten der anderen Parteien im Neid um den Futtertrog ist, so rätselhaft ist das Agieren der meisten Medien. In ihrem dumpfen Political-Correctness-Gruppengefühl begreifen sie nicht, wie sehr sie sich damit selber schaden. Denn während die alten Parteien an einen neuen Mitspieler Wähler verlieren und ihn daher aus ihrer Konkurrenz-Logik heraus diskreditieren, verlieren die Medien Leser und Zuschauer, wenn sie etwa gegen die AfD anschreiben und gewaltsame Attacken gegen sie verharmlosen. Dabei sind die allermeisten Printmedien alles andere als in einer Position, in der zusätzliche Leserverluste problemlos wären.

Lediglich beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist das etwas anders. Das braucht ja keine Zuschauer, sondern nur den Segen der politischen Machthaber für seine Privilegien …






Dr. Andreas Unterberger war Chefredakteur der österreichischen Tageszeitungen Die Presse und Wiener Zeitung. Er schreibt heute unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch“, das Österreichs meistgelesener Internet-Blog ist.