© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/17 / 03. März 2017

Bodenversalzung läßt die Mais-Erträge sinken
Kieler Pflanzenphysiologen forschen an Gegenstrategien / Global 950 Millionen Hektar Land durch Salze kontaminiert
Stefan Liedtke

Mais wird hierzulande oft mit Biogas, Monokultur und Artenschwund assoziiert. Nicht zu Unrecht, wie die wissenschaftlich untermauerte Kritik an den flächenfressenden, enorme ökologische Schäden verursachenden Maismonokulturen zeigt (JF 23/15). Trotzdem ist dies nicht die ganze Wahrheit über diese für Mensch und Tier bedeutende Nahrungspflanze. Richtet man nämlich den Blick darauf, daß Mais – nach Weizen und vor Reis und Gerste mit 180 Millionen Hektar Anbaufläche weltweit die zweithäufigste Getreideart ist, erscheint seine Rolle als grüner Treibstoff der Energiewende rasch marginal.

Doch der Maisanbau hat global viel größere Probleme. Aktuell schlägt die Welternährungsorganisation FAO wegen des aus Amerika nach Afrika eingeschleppten Herbst-Heerwurms (Spodoptera frugiperda) Alarm – die gefräßigen Raupen bedrohen die Ernten von Nigeria bis Südafrika. Aber Mais wird auch zum Opfer von negativen Umweltveränderungen, unter denen die Bodenversalzung die gefährlichste ist. Weltweit, so warnen die Agrarwissenschaftler Karl Hermann Mühling und Christoph-Martin Geilfus vom Kieler Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde, leide der Maisanbau unter enormen Ertrags-einbußen, weil sich Böden mit Salz anreicherten (Christiana Albertina, 82/16).

Streßphysiologischen Erkenntnisse

Die Gesamtfläche salziger Böden weite sich stetig aus, so daß immer mehr fruchtbares Ackerland verlorengehe. Sinkende Erträge bei der wichtigsten Getreideart (Jahresertrag eine Billion Tonnen) böten der Menschheit angesichts eines bis 2050 prognostizierten Anstiegs der Weltbevölkerung von sieben auf neun Milliarden Konsumenten unerfreuliche Aussichten. Aus diesem Dilemma könne allein die Entwicklung salzresistenter Pflanzen heraushelfen. Insgesamt gelten global 950 Millionen Hektar Landfläche als salzkontaminiert. Menschliches Wirtschaften sei daran, etwa durch fehlerhafte Bewässerung, nur partiell beteiligt. Die Bodensalinität sei überwiegend auf geologische Prozesse der Gesteinsverwitterung, auf Großwettereignisse, Naturkatastrophen sowie Wind- und Regendeposition ozeanischer Salze zurückzuführen.

Fatal sei allerdings, daß ausgerechnet die Hauptstandorte, auf denen Mais produziert wird – Australien, China, West­asien, Südrußland, Afrika, die USA und Südamerika –, „sehr stark von Salinität betroffen sind“. Entsprechend reagieren dort Maispflanzen mit einer Reduktion des Blattwachstums, was ihre Biomasse und damit den Kornertrag vermindere.

Mühling und Geilfus stellen sich die Frage, wie Salinität physiologische Abläufe in der pflanzlichen Zelle negativ beeinflußt und mit welcher „Strategie“ Mais auch auf versalzenen Böden ein normales Blattwachstum gewährleistet. Mit ihren Experimenten an einer im Institut für Pflanzenernährung der Universität Gießen gezüchteten salzresistenten Maissorte haben die Kieler Grundlagenforscher diese Frage beantwortet. An dieser Sorte ließ sich beobachten, wie sie infolge der Bodenversalzung ihre Zellwände ansäuerte und ein pH-Milieu kreierte, das Expansinproteine stimulierte, von deren Aktivitätsgrad das Blattstreckungswachstum abhängt. Wachsen die Blätter, werden die Pflanzen photosynthetisch aktiver, produzieren mehr Kohlenhydrate und steigern die Körnerzahl. Mit der Ansäuerung betroffener Blätter arbeitet die Pflanze also der durch Salz induzierten Wachstumsreduktion entgegen.

Der physiologische Mechanismus salzresistenterer Maissorten ist damit entschlüsselt. Leider bleiben ihre Erträge weit hinter denen salzsensitiver Hochleistungssorten zurück. Ihre landwirtschaftliche Verwendung sei „keine Option“. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, so geben Mühling und Geilfus den Stab weiter, müßten die Pflanzenzüchter ihre Programme an die neuen streßphysiologischen Erkenntnisse aus Kiel anpassen.

Unimagazin Christiana Albertina (82/16):  wachholtz-verlag.de