© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/17 / 03. März 2017

DVD: Der unsichtbare Gast
Umwege und Sackgassen
Werner Olles

Ein tödlicher Unfall auf einer einsamen, verschneiten Landstraße irgendwo in Nordspanien. Ein mysteriöser Mord an einer jungen Frau, der Geliebten eines wohlhabenden, gutbürgerlichen Geschäftsmannes, in einer luxuriösen Suite einer abgelegenen Nobelherberge. Ein scheinbar harmonisches Eheglück, während sich der Ehemann eine kostspielige Geliebte leistet, und ein älteres Ehepaar – die Frau ist an Krebs erkrankt –, dessen jüngerer Sohn auf unerklärliche Weise seit dem Unfall verschwunden ist. Das sind die Zutaten zu dem ungemein spannenden Thriller des spanischen Regisseurs Oriol Paulo, der den Zuschauer mehr als einmal aufs Glatteis führt und einen bis zum Ende zu packen versteht.

„Der unsichtbare Gast“ („Contratiempo“, Spanien 2016) ist ein kriminalistisches und psychologisches Verwirrspiel der besonderen Art, das den Zuschauer mittels geschickt konstruierter Rückblenden immer wieder in die Irre und auf Abwege führt, nur um ihm dann zum Schluß vollends den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Über Umwege und Sackgassen stellt er uns verschlagene und hinterhältige Mitwisser vor, verzweifelte Eltern auf der Suche nach ihrem Sohn, eine unwissende Ehefrau, einen ratlosen Kommissar und ein Täterpärchen, dessen halbwegs unschuldiger Teil schließlich selbst zum Opfer wird.

Aber erst das Zusammenspiel der beiden Hauptdarsteller – Mario Casas als ebenso erfolgreicher wie skrupelloser Geschäftsmann Adrian Doria und die Filmlegende Ana Wagener als dessen Anwältin Virginia Goodman, die aber in Wahrheit … (mehr soll hier nicht verraten werden), gibt dem Film jene Würze und Atmosphäre, die eine grausame und traurige Geschichte benötigt, um daraus einen psychologisch fein und subtil ausgearbeiteten Thriller der Sonderklasse zu machen.

Am Ende von „Der unsichtbare Gast“ bleiben zwei oder drei Fragen offen, aber das stört die Faszination kaum. Siebzehnmal für den spanischen Goya-Filmpreis nominiert und auf diversen Festivals gefeiert, gibt er dem Genre jenen Glanz zurück, den einst die Filme von Fritz Lang, Alfred Hitchcock, Robert Aldrich. Joseph Losey oder Brian De Palma ausstrahlten, indem er versucht, den thematischen und ästhetischen Kern des Genres zu erfassen.

DVD/Blu-ray: Der unsichtbare Gast. Koch Media 2017, Laufzeit etwa 77 Minuten