© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/17 / 17. Februar 2017

Knapp daneben
Entmythologisierung des Fußballs
Karl Heinzen

Fußballfans dürfen sich freuen. Dem FC Bayern München sitzt in dieser Saison wieder ein Verfolger im Nacken. Wo die sogenannten Traditionsvereine versagten, mußte es halt ein Neuling aus der Retorte richten. Ohne Superstars, aber mit einem nachhaltigen Unternehmenskonzept ist RB Leipzig ganze acht Jahre nach der Vereinsgründung bereits auf dem Sprung in die Champions League.

Viele Steine hat man ihm in den Weg gelegt. Vielen Anfeindungen war er ausgesetzt. Er hat sich nicht beirren lassen. Nun greifen die blamierten Konkurrenten zum letzten Mittel und stacheln ihre Ultras, derer sie sich insgeheim aus gutem Grund schämen, zu Haßparolen und Gewalt auf. Die Exzesse anläßlich der Begegnung zwischen Borussia Dortmund und RB markieren eine neue Stufe der Eskalation. Unter dem Vorwand, Tradition und Authentizität gegen nackten Kommerz zu verteidigen, sorgen sich die Platzhirsche der Bundesliga aber bloß um ihr Geschäftsmodell.

Die Fußballvereine bauen darauf, daß ihre Fans idiotisch genug sind, ihnen die Treue zu halten.

Fußball ist, wenn man es nüchtern betrachtet, eine der langweiligsten Sportarten überhaupt. 90 durch häufige Spielunterbrechungen zerhackte Minuten, in denen 22 halbnackte Athleten einen Ball über die gegnerische Torlinie befördern wollen, lassen sich nur aushalten, wenn man für eine der beiden Mannschaften Partei ergreift. Warum aber sollte man dies tun? Der einzige vernünftige Grund wäre die Qualität der Leistung. Die in den Profiligen versammelten Fußballunterhaltungskonzerne bauen jedoch darauf, daß ihre Fans idiotisch genug sind, ihnen durch dick und dünn die Treue zu halten. Dazu müssen sie die Illusion nähren, daß Geld eigentlich eine Nebensache sei und jeder Club auf seine Weise eine das bloße Geschehen auf dem Rasen transzendierende Schicksalsgemeinschaft verkörpere, in deren wechselhafte Geschichte sich die Anhänger einreihen.

Ein Dietrich Mateschitz mit seinem pragmatischen Start-up dekonstruiert diese Illusion. Er alleine wird die überfällige Entmythologisierung des Fußballs aber nicht leisten können. Wir müssen auf Nachahmer hoffen.