© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/17 / 17. Februar 2017

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Als der konservative Historiker und Publizist Joachim Fest im Mai 2006 den Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk  erhielt, wurde er in einem Interview des Stern zu seinen Jugenderinnerungen an die NS-Zeit befragt. Fest antwortete, ein Ratschlag seines Vaters habe gelautet: „Ertrage die Clowns.“ Diese Maxime kann gut auch für die Verrücktheiten unserer Gegenwart gelten.


Taxifahrer in Großstädten sind ein eigenes Völkchen. In Berlin sind nach einer Auskunft des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten derzeit 8.107 Taxen unterwegs und 3.158 Unternehmen konzessioniert. Das soll gemessen an der Einwohnerzahl die größte Taxiflotte Deutschlands sein. Ein besonders eigenwilliges Prachtexemplar von Taxifahrer durfte ich vergangene Woche erleben. Auf der Heimfahrt nach einem Konzert kamen wir in ein Gespräch über Musik. Der Taxifahrer, ein in Berlin geborener Kurde, wie er mir erzählte, entpuppte sich als Hobbymusiker. „Willste mal hören?“ Sprach’s, schnappte sich – kein Scherz! – eine auf dem Beifahrersitz liegende Laute und zupfte ein paar Beethoven-Takte, mit den Knien lenkend, während wir auf der Stadtautobahn dahinbrausten.


„Kulturpessimist wird geheißen, wer auf dem überfluteten Vorderdeck kein Liedchen trällern mag.“ (Fundstück der Woche auf der Internetseite von Michael Klonovsky)


Volker Kutscher liest in der Berliner Humboldt-Bibliothek aus seinem neuen Kriminalroman „Lunapark“. Der sechste Mordfall seines Kommissars Gereon Rath spielt im Mai 1934, wenige Wochen vor dem sogenannten Röhm-Putsch, bei dem sich Hitler der SA-Führung entledigte und ebenso weitere Regimekritiker ermorden ließ. Ich bin neugierig auf den Autor, dessen Buchreihe ich verschlungen habe, auch den jüngsten Band bereits. Kutscher versteht seine Gereon-Rath-Romane zwar „ganz bewußt“ nicht als Geschichtsbücher. Gleichwohl, schreibt er auf seiner Netzseite www.gereonrath.de, „machen sie den ein oder anderen womöglich neugierig“ auf das Berlin der dreißiger Jahre und die Lebensumstände der Menschen am Ende der Weimarer Republik und den Anfangsjahren der NS-Diktatur. Das gelingt Volker Kutscher vortrefflich, besonders anschaulich wieder in „Lunapark“. Ein ausgewiesener Historiker für diese Epoche, den ich danach befrage, bestätigt meinen Eindruck: Kutschers zeithistorisches Kolorit, mit dem er seine Fälle grundiert, vermittelt ein authentisches Bild vom Alltagsleben jener Jahre.