© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/17 / 17. Februar 2017

CD-Kritik: Mignon – Nataša Antoniazzo
Dahin, dahin …
Jens Knorr

Mit Mignon hat Goethe der deutschen Hochkultur eine Figur zugeschaffen, die zur idealen Projektionsfläche für allerhand männlichen Eiertanz geworden ist: Frucht inzestuöser Verbindung, nicht Junge, nicht Mädchen und beides doch, Zigeunerin und Künstlerin, Schwester und Geliebte. Und obwohl Franz Schubert in seinem Op. 62 die Gesänge Mignons mit seinen Mitteln zu Ende gedichtet hat, hat es an weiteren Versuchen nicht gefehlt, deren Wortgewalt musikalisch standzuhalten und darauf zu antworten.

Die Mezzosopranistin Nataša Antoniazzo und die Pianistin Mia Elezovic haben aus den berühmtesten ausgewählt; als Interpreten standgehalten und geantwortet haben sie nicht. Die beiden Kroatinnen geben uns viermal „Kennst du das Land“, dreimal „Nur wer die Sehnsucht kennt“ und je zweimal „Heiß mich nicht reden“ und „So laßt mich scheinen“ zu hören. Aber geben sie uns auch Schubert, Beethoven, Schumann, Liszt, Tschaikowski und Berg zu hören?

Antoniazzo enfaltet ihre Stimme – ein Mezzo mit typisch slawischer Klangeinfärbung und unidiomatischem Deutsch – bevorzugt in genehmer Mittellage. Mehr Opern- denn Liedsängerin, eher auf Grandeur denn auf Differenzierung aus, ist sie am besten noch bei Tschaikowski und Schumann aufgehoben. Die Lieder bleiben ohne Relief, der Gesang fließt mit ihnen so dahin, dahin und aus.

Mignon Antes Edition 2017 www.mezzoanto-niazzo.com