© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/17 / 17. Februar 2017

„Mehr Eigentum, weniger Staat“
Immobilienmarkt: Nur 45 Prozent der Haushalte in Deutschland leben in den eigenen vier Wänden / Ist die hohe Grunderwerbsteuer Grund dafür?
Christian Schreiber

Im EU-Vergleich liegt Deutschland am unteren Tabellenende: Nur 45 Prozent leben in den eigenen vier Wänden – und der Prozentsatz der Mieter steigt sogar leicht an. Dies geht aus einer Studie des arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für die FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz hervor. Selbst bein Spitzenreiter, dem Saarland, liegt die Eigentümerquote mit 63 Prozent unter dem EU-Schnitt von fast 70 Prozent. In Berlin (15,6 Prozent), Hamburg (24 Prozent) und Sachsen (33,2 Prozent) liegt die Eigentümerquote nicht einmal halb so hoch.

Der hohe Mieteranteil hierzulande hat teilweise historische Gründe. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele Städte zerbombt, es wurde rasch Wohnraum gebraucht, auch für die Millionen Heimatvertriebenen. Doch die frühzeitige Liberalisierung des Mietrechts ist laut IW nicht der Hauptgrund für die „Mieternation“ Deutschland. Eigentumserwerb sei finanziell zu aufwendig. Dabei sei der deutsche Immobilienmarkt durchaus ein guter Standort. Allerdings seien die „Nebengeräusche“ viel zu hoch: Fast 29.000 Euro werden beispielsweise in NRW für den Kauf einer Immobilie im Wert von 250.000 Euro fällig. Das sind zwölf Prozent. In den benachbarten Niederlanden wären nur 6.525 Euro (2,6 Prozent) für einen vergleichbaren Kauf fällig. Hauptgrund hierfür sind die hohen deutschen Maklergebühren (8.925 Euro ) und vor allem die Grunderwerbsteuer (16.250 Euro).

Letztere ist in den vergangenen Jahren deutlich erhöht worden. Für die Bundesländer ist diese Steuer eine lukrative Einnahmequelle: 2016 spülte sie ihnen 12,4 Milliarden Euro in die Kassen – elf Prozent mehr als im Vorjahr und doppelt so viel wie 2006. Damals übertrug der Bund die Grunderwerbsteuer an die Länder, die seither die Höhe selbst bestimmen dürfen. Beim Ursprungssatz von 3,5 Prozent blieb es lediglich in Bayern und Sachsen. Baden-Württemberg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt kassieren mittlerweile fünf Prozent. Spitzenreiter mit 6,5 Prozent vom Kaufpreis sind die Länder Brandenburg, NRW, das Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Freibeträge beim Neuerwerb von Wohnungseigentum?

Für das IW ist das ein Unding, weil der Immobilienbesitz als Alterssicherung gepriesen wird. IW-Experte Michael Voigtländer sagte bei der Studienvorstellung, am sinnvollsten wäre, den Steuersatz einheitlich auf zwei Prozent zu senken. Da dies schwer durchsetzbar sei, bringt er Freibeträge ins Spiel. Beim Neuerwerb des ersten Wohnungseigentums soll dieser 500.000 Euro betragen.

FDP-Bundeschef Christian Lindner schloß sich prompt der Forderung nach einem hohen Freibetrag an. „Mehr Eigentum, weniger Staat. Davon würden alle profitieren“, glaubt der wahlkämpfende Fraktionsvorsitzende im NRW-Landtag. Warum die FDP dies nicht in ihrer Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz durchgesetzt hat, verriet Lindner nicht. Weniger lautstark äußerte sich die CDU, sie hält immerhin einen Freibetrag von 100.000 für denkbar.

Die SPD in Baden-Württemberg – bis 2016 Juniorpartner der Grünen in Stuttgart – bemühte sich ebenfalls, auf den Diskussionszug aufzuspringen: „Wer erstmals ein Haus oder eine Wohnung zur Eigennutzung kauft, dem soll das Land die Grund­erwerbsteuer halbieren“, schlug die Landtagsfraktion vor. Die SPD-Bundestagsfraktion möchte zusätzlich bei den Maklergebühren ansetzen. In einigen Bundesländern teilen sich Käufer und Verkäufer diese Kosten, in Berlin oder Brandenburg muß sie dagegen alleine der Käufer tragen. Gerade für Leute mit geringerem Budget werde der Eigentumserwerb so unattraktiv.

„Angesichts niedriger Zinsen müßte es den Menschen eigentlich leichter fallen, Eigentum zu bilden“, erklärte Voigtländer in der Welt. Das sei aber nicht der Fall, weil die Kaufnebenkosten ansteigen. Seit 1990 ist der Anteil derjenigen, die über Wohneigentum verfügen, in der schwächsten Einkommensgruppe von 25 Prozent auf 17 Prozent (2014) gesunken. „Die Nachfrage nach Wohneigentum würde durch eine Senkung der Kosten deutlich steigen. Schließlich ist der Mangel an Ersparnissen derzeit ein Hauptproblem für Käufer von Wohneigentum“, so Voigtländer. 

Doch ist der Kaufunwille nur den hohen Nebenkosten geschuldet? Die Immobilienpreise sind innerhalb eines Jahres deutschlandweit um 8,5 Prozent gestiegen – trotz anziehender Inflation kein guter Kaufzeitpunkt. Die niedrigen Zinsen böten die Möglichkeit, langfristige Kredite abzuschließen. „Die Preissituation wird sich in ein paar Jahren wieder entspannen“, glaubt Voigtländer.