© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/17 / 17. Februar 2017

AfD-Streit um Höcke
Klärungen sind unvermeidbar
Dieter Stein

Sieben Monate vor der Bundestagswahl flammt der Machtkampf in der AfD neu auf. Mit dem Beschluß des Bundesvorstandes von Montag, ein Parteiausschlußverfahren gegen den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke einzuleiten, demonstriert die Partei klare Distanz zu dessen Irrflügen an den rechten Rand. Manche fühlen sich indes in die Endzeit des Parteisprechers Bernd Lucke versetzt, der schon Anfang 2015 erfolglos versucht hatte, Höcke wegen wiederholter umstrittener Positionen zu entmachten. 

Höcke begann im März 2015 mit einer „Erfurter Resolution“ und seinem Unterstützer-Club „Der Flügel“, Anhänger gegen Lucke zu mobilisieren. Beim Essener Bundesparteitag 2015 unterlag Lucke schließlich gegen Frauke Petry und verließ die Partei. Höckes Parteiordnungsverfahren wurde vom neugewählten AfD-Vorstand umgehend eingestellt. Seine vorübergehende Unterstützung für Frauke Petry verband Höcke noch in Essen mit einer Kampfansage, als er sie vor Anhängern zum „kleineren Übel“ und damit zur Übergangskandidatin erklärte. Der Konflikt war programmiert. 

Sarkastische Kenner der Parteipolitik sagen: „Alle Politik ist Personalpolitik.“ Selbst hehre inhaltliche Auseinandersetzungen werden für persönliche Fehden instrumentalisiert oder von ihnen überlagert. So geht es auch beim Konflikt mit Höcke nicht allein um die tatsächlich notwendige Klärung geschichtspolischer Positionen oder die Frage, wie weit rechts die AfD stehen will.

Frauke Petry demonstrierte seit dem Sieg über Lucke, daß sie offensichtlich die Person in der Führungsebene der Partei ist, die den größten Machtwillen und das größte Machtbewußtsein hat. Sie schlug immer wieder überraschende Volten am Bundesvorstand vorbei, so als sie mit ihrem Ehemann Marcus Pretzell, AfD-Landeschef in NRW, Kooperationen mit Le Pens Front National, der FPÖ und Geert Wilders einging, um diese Auslandskontakte nicht dem rechten Flügel zu überlassen. Dafür nahm Petry den Vorwurf in Kauf, sie selbst verschiebe das Profil der Partei weiter nach rechts.

Das  Ausschlußverfahren gegen Höcke ist ein Vabanquespiel. Eine juristische Niederlage ist einkalkuliert. Petry will Höcke auf Abstand halten, könnte ihn aber damit zu einem neuen „Marsch auf Berlin“ provozieren. Wer führt die AfD? Wer klärt ihr Profil? Wer sorgt dafür, daß sie sich weder als wutbürgerliche, rechtsradikale „Lega Ost“ selbst marginalisiert noch ihre lebendige pluralistische Breite verliert? Die Themen liegen auf der Straße: Eurokrise, Asylchaos, Energiewende, Demokratiedefizit. Nur mit einem Kurs realpolitischer Vernunft hat sie eine echte Zukunftschance. Die AfD steht kurz vor dem Einzug in den Bundestag und der endgültigen Etablierung als neuer oppositioneller Kraft. Schmerzen, Kampf und Klärungen sind dabei unvermeidbar.