© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/17 / 10. Februar 2017

Zentrale Schwächen Afrikas: Kulturelle Standortnachteile und fehlende Industrie
Gegen „westliche Medienmythen“
(ob)

Ghana (1957) und Singapur (1963) starteten etwa gleichzeitig und mit gleich niedrigem Bruttoinlandsprodukt (BIP) in die Unabhängigkeit. Wobei die Westafrikaner wegen ihres Rohstoffreichtums bessere Entwicklungschancen hatten. Heute liegt Ghanas BIP pro Kopf bei 1.730, das Singapurs bei 54.776 Dollar. Ähnlich kraß fallen Vergleiche zwischen afrikanischen und anderen ostasiatischen Staaten aus, obwohl sie von den Kolonialmächten gleiche Ausgangspositionen erbten: funktionierende Verwaltung, Marktwirtschaft, rechtsstaatliche Ordnung. Ob so differierende Entwicklungsverläufe nicht in sehr unterschiedlichen kulturellen Traditionen wurzeln, wie Armgard Rosenberger vermutet (FAZ vom 1. Februar), wird aus Gründen politischer Korrektheit in Diskursen über den „Krisenkontinent Afrika“ aber nicht thematisiert. Auch der neomarxistische Wirtschaftswissenschaftler Jörg Goldberg weicht der Frage in seiner Analyse zu „Afrikas vergebenen Boom-Jahren“ aus (Blätter für deutsche und internationale Politik, 1/2017). Immerhin räumt der wie üblich auf die Veränderungskraft der „Zivilgesellschaft“ hoffende Goldberg mit westlichen Medien-Mythen über eine sich formierende „neue afrikanische Mittelklasse“ oder über Segnungen der Globalisierung auf und macht in der seit sechzig Jahren fehlenden industriellen Produktion eine „zentrale Schwäche“ Afrika aus. 


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