© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/17 / 10. Februar 2017

Weitreichende Folgen
US-Politik: Donald Trump will mit einer Steuerreform Industriearbeitsplätze retten / Gefahr für Deutschland?
Thomas Kirchner

Donald Trump hat seinen Wahlsieg nicht zuletzt den Proteststimmen aus dem „Rust Belt“, der schwer gebeutelten Industrieregion im Nordosten der USA, zu verdanken. 1980 gab es US-weit noch 19 Millionen gut bezahlte Industriearbeiter – bei 227 Millionen Einwohnern. 2015 waren es noch zwölf Millionen – bei einer auf 320 Millionen gestiegenen Wohnbevölkerung. Der Absturz erfolgte unter Bill Clinton und George W. Bush, als Firmen – auch dank Freihandel – ihre Industrieproduktion in Niedriglohnländer verlagerten.

China erzielt inzwischen einen Handelsüberschuß von 320 Milliarden Dollar jährlich, Mexiko von 59 Milliarden Dollar. Große Hoffnungen für eine Renaissance von „Made in USA“ weckten daher Trumps Steuerpläne. Im Wahlkampf versprach der Republikaner die Senkung der Unternehmenssteuern von derzeit 35 Prozent auf 15 Prozent, vergleichbar mit dem von Großbritannien angestrebten Niveau und nur knapp über Irlands Niedrigsteuersatz. Die Aktienkurse haben mit einem elfprozentigen Anstieg entsprechend reagiert: Sinken die Steuern, steigen die Nachsteuergewinne. Niemand weiß, wie hoch dieser Effekt wirklich sein wird, denn dank zahlreicher Schlupflöcher zahlt schon heute kaum eine Firma den Spitzensatz.

Eine Reform scheint unausweichlich, und so werden denn auch Vorschläge diskutiert, die bislang als akademische Hirngespinste galten. So die Besteuerung des Geldflusses (Cashflow) anstelle von Gewinnen. Was wie ein Detail des Rechnungswesens erscheint, hat weitreichende Folgen. Nach Vorstellung der einflußreichen Republikaner Paul Ryan und Kevin Brady soll in Zukunft ein Einheitssatz von 20 Prozent auf alle US-Umsätze erhoben werden.

Teil dieser Steuer soll eine Grenzsteuer (Border tax adjustment/BTA) werden, die dazu führt, daß Importe nicht die Steuerbasis reduzieren, während Exporte sich steuermindernd auswirken. Damit ähnelt diese Unternehmenssteuer der deutschen Umsatzsteuer. Diese Steuer wirkt ähnlich wie ein Importzoll und unterscheidet sich nicht wesentlich vom EU-Mehrwertsteuerausgleich, der auf Importe erhoben wird. Juristen streiten noch, ob die Welthandelsorganisation (WTO) dies genauso sehen wird oder Trumps Steuer trotz der wirtschaftlichen Ähnlichkeit als verbotenen Zoll einstuft. 

Die wichtigste Neuerung dieses Vorschlags wäre die Einführung einer Verbrauchssteuer ins US-Firmensteuersystem, das bisher ausschließlich auf der Besteuerung von Gewinnen basiert. Die in vielen Bundesstaaten erhobene Verkaufssteuer beläuft sich auf nur 3,7 Prozent der Wirtschaftsleistung, während die Mehrwertsteuern in Europa bei zehn Prozent liegen. Durch das neue System ändern sich wirtschaftlich Anreize zum Guten: Ersparnisse und somit auch Investitionen werden relativ attraktiver gegenüber Konsum. Der Trend, Produktionsstätten aus Asien zurück in die USA zu verlegen, würde beschleunigt. Das Handelsdefizit wird schrumpfen.

Schwierigkeiten im US-Kongreß

Der Ryan-Brady-Plan geht aber noch weiter: die Erbschaftsteuer (eigentlich eine „Todessteuer“, da nicht die Erben, sondern der Verstorbene besteuert wird) soll abgeschafft werden; Investitionen sollen nicht mehr zeitlich gestaffelt, sondern sofort abgeschrieben werden können; Zinszahlungen können nicht mehr abgesetzt werden; und das Steuersystem soll territorial werden und sich nicht mehr nach Staatsangehörigkeit richten.

Widerstand formiert sich erwartungsgemäß im Handel, besonders im unteren Preissegment, wo Massenware aus China verscherbelt wird. Die Besteuerung von Importen würde sich direkt auf die Margen auswirken und – je nach Wettbewerbssituation – die Verbraucherpreise erhöhen. Bei Bruttomargen von 50 Prozent würde die Steuer zehn Prozent des Endkundenpreises von Importprodukten ausmachen. Auch Industrieunternehmen mit hoher Einfuhrquote von Vorprodukten opponieren.

Der Republikaner Steve Forbes, Verfechter einer Einheitssteuer (flat tax), warnt, daß Trumps Steuer früher oder später zu einer echten Mehrwertsteuer wird, ohne daß die Einkommenssteuer abgeschafft wird. Die USA würden dann zu einem europäischen Hochsteuerland. Für deutsche Exporteure (jährlicher Überschuß im US-Handel 60 Milliarden Dollar), besonders die Autoindustrie, wäre das neue Steuersystem eine Katastrophe. Zölle sind hingegen keine Neuheit, betreffen bisher aber nur China. Obama verhängte bereits 2016 Strafzölle von bis zu 266 Prozent gegen chinesischen Stahl. Die EU zog mit Strafzöllen von bis zu 73,7 Prozent nach. Durch die Trump-Pläne könnte es zu einem Zollkrieg kommen.

Unklar sind die Auswirkungen auf den Dollarkurs. Die Nachfrage nach in den USA hergestellten Produkten sollte anziehen, wodurch der Dollar steigen müßte. Das wiederum würde Exporte verteuern, der Nettoeffekt wäre also dollarneutral. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß solche Gedankenspiele rein akademische Übungen sind, weil Wechselkurse eher von Investitionstätigkeit als vom Handel mit Gütern und Dienstleistungen bestimmt werden.

Trump sieht eine Unternehmenssteuerreform als Kernpunkt seiner Präsidentschaft und will sie in den ersten hundert Tagen in die Wege leiten. Die Republikaner im Kongreß möchten erst 2018 mit der Reform beginnen. Die Besteuerung des Cash Flow ist zu komplex, um in der Washingtoner Realität verabschiedet werden zu können. Eine Senkung der klassischen Unternehmenssteuern auf 20 Prozent zusammen mit Vereinfachung der ausufernden Steuerbürokratie hätte wohl wesentlich bessere Chancen.