© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/17 / 03. Februar 2017

Jeder wird zur Kasse gebeten
Vorwand Umweltschutz: Auch ohne offizielle Steuererhöhungen kann der Fiskus nach der Bundestagswahl mit milliardenschweren Zusatzeinnahmen rechnen
Christian Schreiber

Angela Merkel soll intern davor gewarnt haben, einen Steuerwahlkampf zu führen. Sowohl die CSU als auch der CDU-Wirtschaftsflügel drängen hingegen – wie auch AfD und FDP – vehement auf eine Entlastung der Bürger. Wolfgang Schäuble rechnet hingegen längst nicht nur mit „automatischen“ Mehreinnahmen durch die kalte Progression oder einem Energie- und Umsatzsteuerplus durch Preiserhöhungen. Auch umweltrechtliche Novellen lassen den Finanzminister frohlocken.

In diesem Jahr soll die Kfz-Steuer 8,9 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt spülen. Zu Beginn der Legislaturperiode 2013 waren es nur 8,3 Milliarden Euro gewesen. Und auch ohne explizite Kfz-Steuererhöhung dürfte dieser Trend anhalten – dank „Kleingedrucktem“ und der EU. Brüssel will nach Dieselgate & Co. die Pkw-Abgas- und Verbrauchs­tests auf eine realistischere Grundlage stellen: der Worldwide harmonized Light vehicles Test Cycle (WLTC) soll den wirklichkeitsfremden Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) ablösen.

Die WLTC-Messungen dürften den gemessenen Kraftstoffverbrauch und damit die CO2-Werte vieler hochgezüchteter Kleinwagen und Mittelklasseautos höher ausfallen lassen. Da sich die deutsche Kfz-Steuer seit 2009 nach dem Hubraum und dem CO2-Wert bemißt, steigt für viele Neuwagenkäufer die Abgabenbelastung. Das Bundesfinanzministerium rechnet mit Mehreinnahmen von insgesamt 1,1 Milliarden Euro für einen Zeitraum von vier Jahren. Um den Bürger und die spendende Autoindustrie im Wahljahr 2017 nicht zu vergraulen, hat sich die Regierung auf eine Übergangszeit bis Herbst 2018 geeinigt.

Eine weitere „Umweltmaßnahme“, die teuer werden könnte, ist die Einführung der „Blauen Plakette“ – die Umweltzone 2.0. Damit soll Diesel-Autos, die nicht die neueste Euro-6-Norm von 2015 erfüllen, künftig die Einfahrt in die 54 Umweltzonen der größeren Innenstädte untersagt werden. Auch ältere Benziner könnten erstmals betroffen sein.

Am Ende wird jeder zur Kasse gebeten

Wahlkampfbedingt wurde die „Blaue Plakette“ im August 2016 vom Bundesumweltministerium zunächst auf Eis gelegt. Ministerin Barbara Hendricks (SPD) will die Entscheidung auf die kommunale Ebene auslagern. Wie nach 2007, der Einführung der ersten Umweltzonen, droht betroffenen Autobesitzern ein massiver Wertverlust. Die Fahrzeughersteller hoffen hingegen auf mehr Neuwagenkäufer – und der Fiskus auf entsprechende Umsatzsteuereinnahmen. Die Kämmerer der Städte können sich ebenfalls auf Mehreinahmen freuen: Verstöße gegen die Umweltzone kosten inwischen 80 Euro – doppelt soviel wie vor Amtsantritt von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

Auch die CSU-Autobahnmaut freut den Fiskus. Die sogenannte Infrastrukturabgabe, die kürzlich vom Bundeskabinett beschlossen wurde, soll eigentlich nur Fahrzeughalter aus dem Ausland belasten. Damit aber nicht gegen EU-Recht verstoßen wird, haben die Dobrindt-Experten ein Verrechnungmodell entwickelt, das formal auch deutsche Autofahrer belastet – je nach CO2-Ausstoß des Pkw. Der Automobilclub ADAC warnt, es sei unsicher, ob die EU „diesen Trick akzeptieren“ werde, zudem drohe ein fiskalisches „Nullsummenspiel“. Daher werde „am Ende jeder zur Kasse gebeten“.

Auch wer aus Umwelt- und Kostengründen mehrere tausend Euro extra für einen Autogas-Pkw ausgegeben hat, dürfte die Bundesregierung verfluchen: Die „Subventionierung“ von Autogas (LPG) soll beendet werden. Argument: Ein Autogasmotor stoße zwar neun Prozent weniger Schadstoffe aus als ein Diesel oder Benziner, aber die LPG-Produktion sei umweltschädlich. Von 9,8 Cent je Liter soll die LPG-Energiesteuer daher ab 2018 auf 22,3 Cent steigen. Bei Diesel sind es derzeit 47,04 Cent, bei Benzin 65,45 Cent. Ursprünglich sollte der LPG-Steuerrabatt bis 2025 gelten. Etwa eine halbe Million Autogas-Fahrzeuge gibt es in Deutschland.

Die etwa 100.000 Erdgasfahrzeuge (CNG) haben offensichtlich eine stärkere Lobby: ihr CO2-Ausstoß liege ein Fünftel Prozent unter dem von Benzinern. Zudem gebe es kaum Emissionen von Feinstaub und Stickoxiden.