© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/17 / 03. Februar 2017

„Unterste Schublade“
Debatte um Sexualpädagogik: Bayerns Kultusministers Ludwig Spaenle (CSU) hat Vertreter der konservativen „Demo für alle“ getroffen / Die Opposition schäumt
Christian Jung

Wenn Sie sich die Seite der ‘Demo für alle’ anschauen, dann feiern die das, was passiert ist, als einen Riesenerfolg. Einen Riesenerfolg!“ wiederholte Claudia Stamm sichtlich erregt im Plenum des Bayerischen Landtags. Die Grünen-Abgeordnete, Tochter von Parlamentspräsidentin Barbara Stamm (CSU), kann es nicht fassen: Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) hatte im vergangenen Herbst die „Demo für alle“ zum Gespräch geladen und danach noch Änderungen an der Richtlinie zur Sexualerziehung an bayerischen Schulen vorgenommen (JF 52/16-1/17). 

Die Vorsitzende der Organisation, Hedwig von Beverfoerde, befand das tatsächlich als einen Fortschritt; gleichwohl sei noch „viel sexuelle Vielfalt“ enthalten. Ein Begriff, hinter dem sich unter anderem die Darstellung verschiedener Sexualpraktiken im Unterricht verbirgt.

Eine „kleine homophobe Gruppierung darf sich mit dem Minister treffen“, erregt sich Claudia Stamm in der Landtagssitzung vergangene Woche über die Bürgernähe der Landesregierung und den Termin „mit dieser menschenfeindlichen Gruppierung“. 

„Meinungsdiktatur, Gehirnwäsche“, ruft der CSU-Abgeordnete Florian Herrmann dazwischen. Tatsächlich nimmt es die Grüne mit der Wahrheit nicht ganz so genau: Die „Demo für alle“ würde sich gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau wenden, behauptet Stamm. Eine CSU-Abgeordnete verläßt während ihrer Rede den Saal – „aus Selbstschutz“.Die Grünen, die sich sonst so fremdenfreundlich geben, werfen der „Demo für alle“ vor, keine bayerische Initiative zu sein. Allerdings hatte auf seiten der konservativen Protestbewegung auch Sabine Weigert von der „Elterninitiative Bayern“ an dem Gespräch im Ministerium teilgenommen.

„Homophobe Extremisten kriegen einen Termin beim Minister, viele Gruppierungen und Künstler erhalten hingegen monatelang keinen“, empört sich auch die Abgeordnete Isabell Zacharias (SPD). Grüne und SPD wollen eine Wiederholung verhindern: Es könne nicht sein, „daß irgendeine Gruppierung ihre Sachen uns hier reindiktiert“, appellierte Stamm an die CSU.

Kultusminister Spaenle erklärt nach der Sitzung gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, er sei „ausschließlich dem Ministerpräsidenten gegenüber verantwortlich; ansonsten lasse ich mir nicht vorschreiben, mit wem ich mich zu treffen habe und mit wem nicht.“ 

Stamm dagegen fordert im Plenarsaal: „Im Sinne unserer kostbaren Demokratie hoffe ich, daß es nie mehr passiert, daß ein Mitglied der Staatsregierung denen einen Raum gibt und es zuläßt, hier in diesen Landtag so einzugreifen und einzuwirken.“

Er empfinde es „als mindestens unredlich, wenn Sie verschweigen, daß ich mich auch mit dem Bündnis ‘Vielfalt statt Einfalt’ getroffen habe“, erwidert Spaenle, der Stamm „politische Kultur der untersten Schublade“ vorwirft. Derart ertappt, beschwert sich Stamm daraufhin, erst nach Monaten der Fürsprache durch sie und Kollegin Zacharias habe das Bündnis „Vielfalt statt Einfalt“ einen Termin im Ministeriun erhalten. 

Auf der Internetseite dieser Gruppierung, die ihren Sitz laut Impressum in Hannover (und nicht in Bayern) hat, sind die beiden als „unterstützende Abgeordnete“ eingetragen. Dem Bündnis, das die beiden um die Demokratie besorgten Abgeordneten unterstützen, gehört übrigens auch die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) an, die laut Verfassungsschutzbericht „Gewalt in der politischen Auseinandersetzung nicht ausschließt“.