© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/17 / 03. Februar 2017

„Was Sie taten, war menschenverachtend“
Prozeß: In Niedersachsen sind Fußball-Ultras verurteilt worden, weil sie im Stadion das Attentat der Islamistin Safia S. auf einen Polizisten verherrlichten
Hinrich Rohbohm

Sie tragen Markenkleidung, haben solide Berufe und ein gepflegtes äußeres Erscheinungsbild. Sascha G., Hannes M. und Niklas V. vermitteln im Saal 2241 des Amtsgerichts Hannover auf den ersten Blick nicht das Gefühl, als würden sie Haß und Gewalt verbreiten. Doch dieser Eindruck täuscht.  

Es ist der 1. März vergangenen Jahres, als die drei Angeklagten im Alter zwischen 23 und 25 Jahren das Fußball-Bundesligaspiel zwischen Hannover 96 und dem VfL Wolfsburg besuchen. Wenige Minuten nach Spielbeginn entrollen Hannes M. und Niklas V. ein gut zehn Meter langes Transparent, das Sascha G. zuvor in den Fanblock gebracht hatte. Mehrere Minuten lang halten sie es in die Höhe. „We love Teens – ACAB“, steht auf dem aus einer Tapetenrolle gebastelten Spruchband. In der Fanszene der sogenannten Ultras steht der Begriff „ACAB“ für „All cops are bastards.“ Neben den Spruch ist eine Faust gemalt, die ein blutiges Messer hält. Dazu das Bild eines blutigen Handabdrucks. Hannes M. hatte zudem fünfmal eine demonstrative Schnittbewegung mit dem Finger über seinen Hals angedeutet – ein Symbol, das gemeinhin als „Kehle durchschneiden“ gedeutet wird. 

Beides sind Anspielungen auf die lebensgefährliche Messerattacke der damals 15jährigen Deutsch-Marokkanerin Safia S., die vier Tage vor dem Fußballspiel am Hauptbahnhof von Hannover einen Bundespolizisten niedergestochen hatte. Ihr Komplize Mohamad Hasan K., der gewußt haben soll, daß das Mädchen im Auftrag des IS eine „Märtyrertat“ in Deutschland plante, zählt zudem zu den Verdächtigen für einen möglichen Anschlagsversuch auf das in Hannover angesetzte Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Holland vom November 2015. Die Tat von Safia S. gilt nach Auffassung der Generalbundesanwaltschaft als erster direkt vom IS in Auftrag gegebener Terrorangriff in Deutschland. Von all dem wollen die drei Angeklagten nichts mitbekommen haben, lassen sie über ihre Anwälte im Gerichtssaal verkünden. Das Transparent? Ist nicht von ihnen, sagen sie. Und was da draufgestanden habe, hätten sie ohnehin nicht gewußt. Und die Schnittbewegung sei vielmehr „eine Geste gegen die Wolfsburger“ gewesen, behauptet M.

„Ich bin kein gewalttätiger Mensch und würde nie einem Menschen Gewalt antun“, beteuert Sascha G., der das Transparent in den Fanblock gebracht hatte. Sein Vorstrafenregister sagt etwas anderes aus. Demnach war er bereits durch Nötigung und gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Bei den Mitangeklagten sieht es ähnlich aus. Beleidigungen, Sachbeschädigungen und gefährliche Körperverletzung zählen zu ihren Vorstrafen. 

„In einem Stadion haben Sie nichts zu suchen“

Doch mit dem Islamismus haben die Täter nichts zu tun. Vielmehr ist es ihr abgrundtiefer Haß auf die Polizei, der sie zu der Aktion motivierte. Ein Haß, der neben der Ablehnung von Kapitalismus und Kommerz, von Staat und Staatsdienern in der Fanszene der Ultras nicht unüblich ist. Verteidiger von Niklas V. ist übrigens der als Anwalt der „Ultras“ bekannte Vorsitzende des Fanbeteiligungs- und Unterstützungsvereins 96 (FUV96) Andreas Hüttl, der während der Verhandlung auch sogleich den Versuch unternimmt, den mit der Ultra-Szene eng vernetzten Mitarbeiter der „Kompetenzgruppe Fankultur und Sport“ (KoFaS) Jonas Gabler als Sachverständigen zum Prozeß hinzuzuziehen. Gabler publizierte sein Buch „Die Ultras – Fußballfans und Fußballkulturen in Deutschland“ im linksradikalen Papyrossa-Verlag, der nach der Wiedervereinigung aus dem einst von der DDR finanzierten DKP-nahen Pahl-Rugenstein-Verlag hervorgegangen war. 

Ein Antrag, dem Richterin Susanne Lotz jedoch nicht folgte. Auch den Unwissenheitsbeteuerungen der Angeklagten schenkte sie keinen Glauben. Vielmehr verurteilte sie die Täter zu hohen Geldstrafen, ging dabei sogar noch über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. So brummte sie G. eine Geldstrafe von 3.500 Euro, M. eine von 2.400 Euro und V. von 14.000 Euro auf. „Was Sie taten, war menschenverachtend. Da geht es um Fußball. Nach meiner Auffassung haben Sie in einem Stadion gar nichts zu suchen. Und das für lange Zeit.“