© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

Ins Zentrum der Macht
Internetriesen wie Google, Facebook und Amazon intensivieren zunehmend ihre Lobbyarbeit in Brüssel
Christian Schreiber

Der US-Internetgigant Google hat seine Lobbyaktivitäten in Brüssel und Straßburg, in den Schaltzentralen der Europäischen Union, in den vergangenen Jahren heimlich, still und leise ausgebaut. Wie der TV-Sender CNN auf seiner Internetseite schreibt, habe der Konzern sowohl finanziell als auch personell erheblich aufgerüstet. Brüssel sei von größter strategischer Bedeutung und löse die klassischen Lobby-Maßnahmen in den europäischen Hauptstädten zunehmend ab, da immer mehr Entscheidungskompetenzen auf die europäische Ebene verlagert werden.  

Innerhalb der EU gibt es seit Jahren erbitterte Debatten, den Datenschutz der europäischen Internetnutzer zu stärken. Google und anderen Netz-Riesen wie Facebook, Apple und Amazon ist dies natürlich ein Dorn im Auge. Auch deshalb hat Google seine Lobbyarbeit im Umfeld der EU-Kommission stetig ausgebaut. Nach eigenen Angaben stiegen die Kosten auf EU-Ebene innerhalb von vier Jahren von rund 700.000 auf mehr als 1,5 Millionen Euro. Im Brüsseler Büro arbeiten neun Mitarbeiter, darunter der Anwalt Tobias McKenney, den die Internetseite „lobbypedia“ als Seitenwechsler bezeichnet, da er zuvor als Referent bei der EU-Kommission Urheberrechtsthemen betreut hatte. 

15.000 Lobbyisten arbeiten in Brüssel

„An die Spitzengruppe mit Shell, Exxon Mobil, Philip Morris und Microsoft kommt Google noch nicht heran, aber mit der Deutschen Bank und Dow spielt der amerikanische Internet-Gigant inzwischen in einer Liga“, bilanziert die Frankfurter Allgemeine Zeitung. 

In der belgischen Hauptstadt versuchen rund 15.000 Interessenvertreter ihre Belange zur Geltung zu bringen. Im Ringen um den Datenschutz, erklärt der Grünen-Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht, habe es 2015 bei Abänderungsanträgen eine „regelrechte Lobby-Flut“ gegeben. Generell sei die Arbeit von Interessenvertretern legitim. „Bei der Datenschutz-Grundverordnung zeigt sich aber, daß bestimmte Lobbygruppen durch häufige Terminanfragen, Einladungen und Treffen über das legitime Maß hinaus sowie durch gezieltes Streuen von Falschinformationen versuchen, Einfluß auf die politische Willensbildung zu nehmen.“

Auch Facebook ist in den vergangenen Jahren äußerst aktiv geworden. Bereits Ende Oktober 2011 eröffnete das Unternehmen ein Lobbybüro in Brüssel, das von Erika Mann geleitet wird, die von 1994 bis 2009 Mitglied des EU-Parlaments für die SPD war. Bereits in ihrer Zeit als Europaabgeordnete war sie Mitglied in mehreren unternehmensnahen Netzwerken. 

Wie Google ist Facebook ebenfalls bereits vor einigen Jahren dem freiwilligen Transparenzregister der EU beigetreten. Demnach investiert die Firma jährlich mittlerweile mehr als 500.000 Euro für Lobbyarbeit in Brüssel und beschäftigt dort acht Mitarbeiter, Tendenz steigend. 

Viele Lobbyisten waren früher selbst Politiker 

In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder heftige Diskussionen um den „Datentausch“ der Internetfirmen gegeben. Derzeit gelten noch die europäischen Datenschutzrichtlinien, die aus dem Jahr 1995 stammen. Eine neue Verordnung soll voraussichtlich Anfang 2018 in Kraft treten, sie ist mittlerweile nach zähen Verhandlungen im April 2016 verabschiedet worden. Wieviel Geld sich mit Userdaten einmal verdienen lassen würde, wie lukrativ das Geschäft mit der personalisierten Werbung einmal sein wird und wie wichtig daher Datenschutz ist, das war im Jahr 1995 noch nicht abzusehen. Facebook und Google gab es damals noch nicht. 

Ebenfalls in Brüssel immer präsenter ist der Versandhandel Amazon. Mit einer Steigerung seiner Lobbyausgaben über hundert Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal hat der Online-Händler in den USA bereits für Aufsehen gesorgt. Amazon speichert bisher die Kundendaten seit Geschäftsbeginn. Datenschützer kämpfen seit Jahren für ein „Recht auf Vergessen“, welches die neuen Datenschutzrichtlinien auch vorsehen. Bei Amazon kann man bislang nur sein Konto löschen, verliert aber damit auch den Zugriff auf bereits bezahlte Käufe wie E-Books. 

Die Datenschutz-Kontrollbehörde der EU in Luxemburg hat diese Geschäftspraxis bisher als zulässig eingestuft. Schließlich wisse der Kunde ja beim Durchlesen der „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“, worauf er sich einlasse. Datenschützer sehen hier das Resultat perfekter Lobbyarbeit. Ein Detail am Rande: In seinem Buchsortiment verkauft Amazon ein Buch mit dem Titel „Lobby-Planet Brüssel“.