© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

Von Frauen und Männern
Ausstellung II: Das Städel-Museum widmet sich dem „Geschlechterkampf“
Claus-M. Wolfschlag

Laufen die Konflikte unter Männern oft direkt und explosiv ab, die unter Frauen nicht selten zäh und intrigant, so kommt bei Auseinandersetzungen zwischen Mann und Frau meist noch ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu: die Sexualität. Diesem „Geschlechterkampf“ widmet sich nun eine imposante Kunstausstellung im Frankfurter Städel. 

An der Qualität von Ausstellung und Katalog ändert nichts, daß gelegentlich einige modische Floskeln der „Gender“-Ideologie in den Sprachgebrauch der Begleittexte eingeflossen sind. So heißt es beispielsweise in dem Katalog-Vorwort bezogen auf die Vorstellung eines „Gesellschaftsvertrags“ , daß „geschlechtliche Rollenbilder immer im Wandel begriffen sind und stets neu verhandelt werden müssen“.

Das weibliche Geschlecht kommt in vielen der gezeigten Werke nicht positiv weg. Oft verbinden sich ein durchtriebener, zerstörerischer Charakter und eine starke erotische Anziehungskraft. Die Frau verführt und lockt den Mann ins Elend, eventuell sogar in eine tödliche Falle. Exemplarisch für das negative Frauenbild steht bereits Gustav-Adolf Mossas Gemälde „Sie“ von 1905, das auch als Werbemotiv der Ausstellung dient. Eine nackte, vollbusige Frau sitzt auf einem blutigen Berg kleiner Männerleichen. Ihren puppenartigen Kopf ziert eine Art Heiligenschein mit Totenköpfen, gehalten von zwei schwarzen Raben. Ihre Halskette ist von diversen Mordinstrumenten geschmückt. Und zwischen ihren Beinen lauert eine grimmige schwarze Katze.

Beginnt die Schau mit einer mordlüsternen Sphinx des Symbolisten Gustave Moreau (1888), so präsentiert Franz von Stuck kämpferische Amazonen und eine lasziv-sündige Eva, die für die Verbannung aus dem Paradies die Verantwortung trägt. Das Motiv der Salome, die den abgeschlagenen Kopf des Johannes mit eiskalter Mine serviert, wird von mehreren Künstlern variiert. Als weitere mörderische Frauentypen begegnen dem Besucher die Medusa, Judith, die den Feldherrn Holofernes enthauptet, und Delila, die Samson im Bett das Haupthaar abschneidet und ihn damit wehrlos gegenüber seinen Häschern macht.

Die Ausstellung, in der er es um die Auseinandersetzung der Geschlechter geht, setzt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein, also in einer Zeit der Fahrt aufnehmenden industriellen Moderne, die zu vielen tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen führte. Die Kuratoren der Frankfurter Schau verbinden mit dieser Kunstepoche den Aufbruch der weiblichen Emanzipation, den Kampf um das Frauenwahlrecht und die soziale Gleichbehandlung. Eine These der Schau ist, daß sich in den teils negativ konnotierten Frauenabbildungen die Furcht vor einer Übermacht des Weiblichen angesichts der Entmachtung des Männlichen ausdrücke.

Trotz dieser zeitspezifischen und soziologisch erklärbaren Komponenten der Schau wäre es bei weitem zu monokausal, die gezeigten Werke nur auf die Probleme von Männern mit der Frauenemanzipation zu verengen. Zu viele Motive des ewigen Spiels und des Kampfes zwischen den Geschlechtern tauchen in den mehr als 150 gezeigten Kunstwerken auf.

Gleichwohl ist der männliche Blick auffallend. Liegt das nur an der geringeren Präsenz von Frauen im Kunstbetrieb vor 1945? Oder werden wohl auch deshalb fast ausschließlich Werke männlicher Künstler präsentiert, weil sich der Mann womöglich stets mehr am Weib emotional abarbeitet als das Weib am Mann? Es wäre in diesem Zusammenhang auch eine Untersuchung wert, wie viele Männer Frauen in Liedern besungen haben und wie viele Frauen Männer.

Die auf zwei räumlichen Ebenen konzipierte Schau vereint Werke zahlreicher renommierter Künstler der europäischen Kulturgeschichte. So ist das Verhältnis zwischen Mann und Frau durch den Blickwinkel von Edvard Munch, Gustav Klimt, Max Liebermann oder Lovis Corinth erlebbar. Max Klinger, Alfred Kubin und Aubrey Beardsley liefern absurde erotische Traumbilder. Zugleich kommen in der Schau auch erotische Phantasien männlicher Dominanz vor. Zum Beispiel in Filmausschnitten von „King Kong“ (1933), dem die blonde Frau entführenden Riesenaffen, oder in den aus dem asiatischen Raum stammenden Zeichnungen von „Tentakel Sex“, in denen eine Frau von einem Kraken penetriert wird, eine bizarre Frühform des Bondage. Das ambivalente Geschlechter-verhältnis setzt sich in einem Raum fort, der die Verarbeitung von Lustmorden der 1920er und 1930er Jahre zum Thema hat.

Das Ende der Schau wendet sich schließlich dem Wandel des optischen Erscheinungsbildes von Frauen während der Weimarer Republik zu und mündet im Surrealismus einer Frida Kahlo. 

Die Ausstellung „Geschlechterkampf“ endet somit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, da – so die Kuratoren – eine Weiterführung in die dann folgenden Themenkomplexe des modernen Feminismus, der freien Liebe der Hippie-Ära, der Homosexualität oder gar der Gender-Ideologie den Rahmen der ohnehin opulenten Schau vollends gesprengt hätte.

Die Ausstellung „Geschlechterkampf“ ist noch bis zum 19. März im Frankfurter Städel-Museum, Schaumainkai 63, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Do./Fr. bis 21 Uhr, zu sehen. Tel.: 069 / 60 50 98-200

 www.staedelmuseum.de