© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

Technik aus Zeiten des Vietnamkriegs
Rüstungspolitik: Die Bundeswehr hat die Wahl zwischen teuren Sikorsky- und billigeren Boeing-Hubschraubern / Keine Eigenentwicklung
Fabian Schmidt-Ahmad

Die dramatische Rettung eigener Soldaten aus Feindgebieten ist ein beliebter Plot von Hollywood-Filmen wie der „Missing in Action“-Trilogie oder „Behind Enemy Lines“. In der militärischen Praxis ist das Combat Search and Rescue (CSAR) eine Aufgabe hochspezialisierter Truppenteile, die dazu in der Regel modifizierte Transporthubschrauber einsetzen. Luftbetankungsstutzen und zusätzliche Tanks sollen den Rettern ermöglichen, tief in den feindlichen Luftraum einzudringen. Doch daran mangelt es der Bundeswehr. Zwar entwickelt die Luftwaffe mit den 2013 aufgestellten Kampfrettern ein eigenes CSAR-Konzept, jedoch fehlt es an geeignetem Flugmaterial für die bewaffnete Suche und Rettung.

Transporthubschrauber am Ende ihrer Lebenszeit

Ursprünglich sollte der NH90 – ein Gemeinschaftsprodukt von französischen, deutschen, italienischen und niederländischen Firmen – diese Aufgabe übernehmen. Doch schon 2008 erkannte das Verteidigungsministerium, daß der neue Mehrzweckhubschrauber der Bundeswehr für CSAR-Einsätze ungeeignet und mit seinen 10,6 Tonnen maximalem Abfluggewicht zu klein ist. Geeigneter wäre der amerikanische Sikorsky CH-53, mit seinen bis zu 19 Tonnen das Schwergewicht der Bundeswehr-Transporthubschrauber.

Doch der schon im Vietamkrieg eingesetzte und ab 1972 als CH-53G speziell für die Bundeswehr in 112 Exemplaren produzierte Drehflügler ist am Ende seiner Lebenszeit. Auch die aufgerüsteten Exemplare (CH-53GS) können nur die Zeit bis zu einem Nachfolger überbrücken. Von einer deutsch-französischen Neuentwicklung, wie ursprünglich geplant, ist das Verteidigungsministerium längst abgekommen. Erfahrungen mit dem NH90, der zwanzig Jahre nach Erstflug noch immer mit gravierenden Mängeln kämpft, dürften ihren Teil beigetragen haben.

Die Bundeswehr will nun ab 2019 ein verfügbares Modell auf dem Weltmarkt bestellen. Inoffiziell konkurrieren Sikorsky und Boeing-Vertol mit den aktuellen Versionen ihrer Transporthubschrauber CH-53K beziehungsweise CH-47F um den Milliarden-Vertrag. Beides Hubschrauber, die in verschiedenen Varianten in der Nato ihren Dienst tun. So wird es in jedem Fall ein Amerikaner werden, der seinen Erstflug vor mehr als einem halben Jahrhundert hatte. Sikorsky entwickelte in den sechziger Jahren den „Sea Stallion“ nach Forderungen der US-Marineinfanterie. Auch der derzeit in Flugerprobung befindliche „King Stallion“ ist auf ihre Wünsche zugeschnitten. Dem CH-53G der Bundeswehr ähnelt er nur äußerlich. Mit einem maximalen Startgewicht von 38,4 Tonnen und einer Nutzlast von 16 Tonnen könnte dieser seinen Vorfahren glattweg in die Luft stemmen. Doch stärkere Triebwerke und größere Reichweite haben ihren Preis.

Über 23 Milliarden Dollar berechnet Sikorsky für die zweihundert bestellten CH-53K, was einem stolzen Stückpreis von rund 116 Millionen Euro entspricht. Günstiger weg kommt man mit dem CH-47F Chinook. Das Arbeitspferd der US-Armee, von diesem wegen seiner charakteristischen zwei Hauptrotoren auch „fliegende Banane“ genannt, befindet sich seit zehn Jahren im Einsatz. Einen Vertrag für 181 CH-47F beziffert Boeing auf 4,8 Milliarden Dollar, was rund 24 Millionen Euro pro Stück heißt. Zahlen, die nur Hinweise geben, da die von der Bundeswehr geforderte Stückzahl wie Ausstattung den Preis bestimmen. Der CH-47F ist die Sparvariante mit insgesamt schwächerer Leistung und mit einem Drittel geringerer Nutzlast. Konzeptuell bedeutet das Doppelrotor-System zugleich Vor- wie Nachteil. Zum einen kompensieren die gegenläufigen Rotoren das Drehmoment, so daß ein Heckrotor, der nichts zum Auftrieb beiträgt, überflüssig ist.

Zum anderen bedeutet das System aber ein Risiko, wie die Deutschen erfahren mußten. Denn die Rotorblätter greifen ineinander, was eine Welle synchronisiert. Nicht jedoch am 11. September 1982, als bei einer Flugschau in Mannheim der Pilot ein technisches Problem meldete. Bei einem konventionellen Heckrotorsystem wirkt der Hauptrotor im Leerlauf wie ein Fallschirm. Hier jedoch zerstörten sich die Rotoren gegenseitig, so daß die Maschine wie ein Stein abstürzte und alle 46 Menschen an Bord in den Tod riß.

Wie die Wahl auch ausgeht: unangenehme Überraschungen, die eine Neuentwicklung unweigerlich mit sich bringt, wird es kaum geben. Das ist zwar bequem, hat aber den Nachteil, womöglich ein überholtes Konzept einzukaufen. Denn die USA setzen mittlerweile auf die Entwicklung von Kipprotorflugzeugen, welche die Vorteile beider Flugzeugarten verbinden und damit optimal für CSAR-Missionen sind. Der exotisch anmutende Bell-Boeing V-22 befindet sich seit 2007 im Truppenzulauf.

Informationen zum CH-53 Sea Stallion: fas.org/

Informationen zum CH-47 Chinook: fas.org