© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/17 / 27. Januar 2017

Daniel Böcking. Der Vizechef von Bild.de hat zu Gott gefunden und ein Buch geschrieben
Der Erweckte
Ronald Berthold

Er war stets derjenige, der am längsten am Tresen saß. Oft kam er erst in aller Herrgottsfrühe nach Hause. Und wenn schon, dann trank Daniel Böcking auch gern mal einen über den Durst. Zu Hause wartete seine Frau – oft stundenlang. Mit diesem Lebenswandel hat der Stellvertreter des Chefredakteurs bei Bild.de gebrochen. Auch fährt er nicht mehr mit der Bierflasche in der Hand raus nach Köpenick, ins Stadion „Alte Försterei“, um sich seinen 1. FC Union anzuschauen.

Heute trinkt Böcking gar keinen Alkohol mehr, kümmert sich liebevoll um seine Familie, zu der auch drei Kinder gehören. Auf dem Weg zu Gott hat der leitende Journalist zu einem soliden, ausgeglichenen Lebenswandel gefunden. Der 39jährige, gebürtig in Siegen, erzählt davon in seinem Buch „Ein bißchen Glauben gibt es nicht. Wie Gott mein Leben umkrempelt“. Noch nie habe er soviel innere Ruhe verspürt wie jetzt, da er auf jene Dinge verzichtet, die ihm früher unverzichtbar schienen.

Daß „Gott genau das von mir wollte“, mache sein Glück perfekt. Selbst im Job hat Böcking unnötige Konkurrenzkämpfe aufgegeben und fühlt sich bei Bild dennoch genau am richtigen Platz. Dort habe Gott ihn hingestellt, und dort kann er sich auch zu seinem Glauben an Jesus Christus bekennen – sogar öffentlich: Als der Terror des Islamischen Staates 2015 einen Höhepunkt erreichte, schrieb der Mann mit den stahlblauen Augen einen sehr langen Kommentar, in dem er sich „outete“ und die Christen aufforderte, zu den Greueln nicht länger zu schweigen. Man müsse versuchen, die religiöse Gewalt „mit Gutem zu überwinden“: die Bibel, die „Gute Nachricht“ mit ihren Friedensbotschaften als Kontrastprogramm zu den Taten fanatisierter Gläubiger einer anderen Religion.

Böcking legte dieses Bekenntnis zu seinem Glauben allerdings auch mit einem mulmigen Gefühl ab, fürchtete er doch, Kollegen könnten ihn für „beknackt“ halten. Doch bis auf eine negative Reaktion erhielt er viel Zuspruch. Auch zahlreiche Leser beglückwünschten ihn zu seinem Mut. Der Redakteur hatte einen gordischen Knoten durchschlagen; sein freimütiger Text machte es auch anderen leichter, ihren Glauben offen zu leben und sich dafür nicht zu schämen.

In typischer Bild-Manier schreibt er in seinem Buch, eine „Standleitung zu Gott“ zu haben. Doch damit meint er keinen exklusiven Zugang, sondern seine eigene Haltung. Es ist keine Überheblichkeit, die ihn zu dieser Formulierung bringt. Er nutzt diese Verbindung, bespricht die Alltagsprobleme mit seinem Herrn – und zwar ohne die Hände zu falten, sondern einfach in seinen Gedanken, während der Arbeitszeit. Aber er behauptet nicht, nun plötzlich für alle Fragen eine Lösung zu erhalten: „Probleme im Job bleiben Probleme im Job.“ Doch mit Gott an seiner Seite nimmt er sie nicht mehr so schwer.