© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/17 / 20. Januar 2017

Konsum grün angestrichen
Die kaffeetrinkende Wählerklientel in Beschäftigung halten: In Grünen-Hochburgen greifen Wiederverwertungsmodelle immer mehr um sich
Claus-M. Wolfschlag

Ein Kennzeichen „grüner“ Herrschaft ist, daß diese an den Grundzügen der gesellschaftlichen Entwicklungen nicht zu rütteln wagt. Was bleibt, sind einige Restriktionen bei denjenigen, von denen geringer Protest zu erwarten ist, den zunehmend eingeengten und gemolkenen Autofahrern beispielsweise. Der Rest besteht aus Placebo-Politik. Hier ein paar mit Rasen begrünte Dächer im Neubauviertel, dort eine Efeu-Ranke und ein Solar-Modul. Und nun hat die Stadt Freiburg einen neuen dieser Taschenspielertricks in die Diskussion gebracht.

Den Hamburger in die   Tupperdose legen

Den Pappbechern soll mit einem neuen System der Kampf angesagt werden. In Freiburg wird deshalb der sogenannte „Freiburg-Cup“ eingeführt. Gegen ein Pfand von einem Euro in den mittlerweile 63 an dem Projekt teilnehmenden Cafés, Bäckereiverkaufsstellen und Cafeterien der Universität können Personen, die einen „Coffee to go“ kaufen, nun dafür Mehrwegbecher kaufen und abgeben. Zudem bekäme demnächst bei McDonald’s Rabatt, wer seine eigene Kaffeetasse mitbringt.

Der Kunststoffbecher ist den Angaben zufolge spülmaschinenfest und kann mehr als 400mal gebraucht werden. Der Deckel allerdings bleibt aus hygienischen Gründen ein Wegwerfprodukt.

Tübingen und Marburg sind bereits mit ähnlichen Lösungen mit von der Mehrweg-Partie, Frankfurt am Main soll folgen. Dort plant eine Großbäckerei für ihre 65 Filialen, 20.000 Pfandbecher in Umlauf zu bringen.

34 Pappbecher kaufen Deutsche im Durchschnitt jedes Jahr. Doch eine Reduktion dieses Postens ist angesichts der alljährlich produzierten Müllmenge leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die hinter dem Freiburger Projekt stehende Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik, die einst in Frankfurt als persönliche Referentin und Büroleiterin des städtischen Umwelt-Dezernenten Tom Koenigs fungiert hatte, erläuterte, daß allein in Freiburg jährlich mehr als zehn Millionen Pappbecher verbraucht würden. Bundesweit seien es nach der Deutschen Umwelthilfe fast drei Milliarden Pappbecher, was in Rohstoffen 64.000 Tonnen Holz und 11.000 Tonnen Kunststoff bedeute.

Doch diese Zahlen verblassen angesichts des jährlichen bundesdeutschen Müllaufkommens. 2014 wurden 209,5 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle registriert, 59,5 Millionen Tonnen Gewerbeabfälle, 50 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle. Von letzteren bilden die Papier- und Kunststoffverpackungen 30 Prozent, also 15 Millionen Tonnen.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) lobte das Freiburger Projekt erwartungsgemäß als „eine tolle Initiative, die noch viele Nachahmer finden wird“. Allerdings verneinte sie umgehend die Idee, aus ihrem Lob eine Gesetzesinitiative folgen zu lassen: „Dafür brauchen wir keine Bundesregelung, das geht auf lokaler und freiwilliger Basis.“ Offenbar scheint Hendricks das Müllproblem dann doch nicht so wichtig.

Nun ist ein Becherpfand wahrlich keine neue Erfindung. Auf jedem Weinfest oder Wochenmarkt erhält man sein Getränk in Gläsern und Bechern, die nach dem Trinken gegen Pfandrückgabe wieder abgegeben werden. Weshalb aber wird das an sich richtige Ansinnen der Müllvermeidung auf Kaffee-Pappbecher reduziert? Womöglich weil man damit die eigene, vorzugsweise Tee und Kaffee trinkende Wählerklientel ein wenig in Beschäftigung halten kann? Wenn man schon McDonald’s für ein Mehrweg-System gewinnen konnte, warum wurde dies nicht auf andere Verpackungen ausgeweitet? Schließlich finden sich an den Straßenrändern immer wieder große Mengen an achtlos in die Landschaft geworfenem Verpackungsmüll von Schnellimbiß-Restaurants. Warum also wird der Modellversuch nicht konsequent durchgeführt, so daß man sich seinen Burger an der Theke gar nicht einpacken, sondern in die mitgebrachte Tupper-Dose legen läßt? Warum nicht auch Trinkbecher für seine Cola mitbringen? Das könnte auf den Supermarkt ausgeweitet werden. Pralinen, Schokolade, Chips, Erdnüsse könnten auch ohne Verpackung gekauft und in mitgeführte Behältnisse gefüllt werden!

Der „Coffee to go“ im Mehrwegbecher entpuppt sich rasch als weitere „grüne“ Selbstprofilierungskampagne ohne große Konsequenz. Denn vor den Konsequenzen eines radikalen Umbaus unseres Verpackungssystems schrecken die Grünen schon deshalb zurück, weil die Wähler ihnen umgehend die Zuneigung entziehen würden. Zu stark basiert unser Wirtschaftssystem auf der Wegwerfmentalität. Beispielsweise sind Waschmaschinen, Elektrogeräte, Möbel, Telefone, Bürohäuser immer weniger haltbar und werden in immer rascherer Umlaufgeschwindigkeit „entsorgt“, um Platz für Neukäufe und Neubauten zu machen. Die „grüne“ Klientel will sich zwar moralisch wohler fühlen, aber auf keinen Fall auf Annehmlichkeiten des Wirtschaftssystems verzichten.