© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/17 / 20. Januar 2017

Er nannte Roß und Reiter
Nachruf: Der Publizist Udo Ulfkotte erlag mit 56 Jahren einem Herzinfarkt
Thorsten Hinz

Nur wenige Nachrufe auf den Journalisten, Buchautor und Islam-Kritiker Udo Ulfkotte haben auf das Attribut „umstritten“ verzichtet. Es war überwiegend abwertend gemeint, doch Ulfkotte hätte es als Auszeichnung verstanden. Er hatte es sich schließlich hart erarbeitet. Ein Journalist, der unumstritten ist, konnte nach seiner Überzeugung nur ein Opportunist oder Langweiler sein. Ohne bei einem großen Medienhaus unter Vertrag zu stehen, ragte er aus dem Heer der namenlosen Medienarbeiter heraus. Und so ließ sich aus manchen Texten auch widerwillige Anerkennung heraushören und sogar ein bißchen Neid auf die Freiheit, die er sich in seinem Beruf genommen hatte.

Noch Anfang dieses Jahres hatte er sich telefonisch bei der JUNGEN FREIHEIT gemeldet und von einem Strafbefehl über 4.000 Euro wegen einer Falschbehauptung berichtet. Er war entschlossen, sich gerichtlich zur Wehr zu setzen, er klang kampf- und unternehmungslustig, von Resignation oder Abgeschlagenheit war nichts zu spüren. Der tödliche Herzinfarkt, den er am 13. Januar im Alter von nur 56 Jahren erlitt, kam unerwartet. Rückblickend erscheint er folgerichtig angesichts des permanenten Drucks, unter dem er stand, und der Belastungen, die er sich zumutete.

Seine Laufbahn hatte ganz solide begonnen. Er studierte Politik und Jura, wurde mit einer Arbeit über „Kontinuität und Wandel amerikanischer und sowjetischer Politik in Nah- und Mittelost 1967 bis 1980“ promoviert und trat 1986 in die Redaktion der FAZ ein, der er bis 2003 angehörte. Die Grauzone zwischen Politik, Geheimdiensten und Terrorismus faszinierte ihn, sie wurde sein Lebensthema.

Verbindungen zu Sicherheitsbehörden

Einem größeren Publikum bekannt wurde er 2003 mit dem Buch „Der Krieg in unseren Städten“, das von der wachsenden und geplanten Einflußnahme des Islam in Deutschland handelt. Ulfkotte nannte Roß und Reiter und nutzte dazu seine Verbindungen zu Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten. Islamische Vertreter und Vereine traten eine Prozeßlawine gegen ihn los. Auch die Staatsanwaltschaft wurde tätig, ermittelte wegen Geheimnisverrat und Beamtenbestechung und nahm Hausdurchsuchungen bei ihm vor.

Die Vorwürfe lösten sich in Luft auf, doch die Erfahrung war gravierend: „Langjährige Freunde zogen sich zurück, Nachbarn nahmen für einen ‘Kriminellen’ keine Pakete mehr an, meine Frau verlor ihre Existenz.“ Öffentliche Solidarität von Kollegen blieb aus. Im Gegenteil, ihm wurde vorgeworfen, die „Protokolle der Weisen von Mekka“ verfaßt zu haben.

Der jungenhaft wirkende Ulfkotte büßte weder seinen Optimismus noch seine Energie ein und setzte als Freiberufler der fortschreitenden Stigmatisierung ein trotziges „Jetzt erst recht!“ entgegen. Beim Kopp-Verlag veröffentlichte er Buch um Buch mit Titeln wie „Asyl-Industrie“, „Mekka Deutschland“, „Volkspädagogen“, „Grenzenlos kriminell“.

Die enorme Produktivität wirkte sich freilich auf die Qualität aus. Sein Stil wurde zunehmend redundant und reißerisch. So bot das mit Spannung erwartete Buch „Gekaufte Journalisten. Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken“ einige interessante Einblicke in den Medienbetrieb, ohne den selbstgestellten Anspruch einzulösen. Es verlor sich in Anekdoten über fremdfinanzierte Tauchkurse für Journalisten und die Cowboystiefel eines amerika-affinen FAZ-Redakteurs („Schnappatmung über die Lohnschreiber“, JF 47/ 14). Ein Bestseller wurde es trotzdem.

Die etablierten Medien taten Ulfkotte als „Verschwörungstheoretiker“ ab. Häufig wird als Verschwörungstheorie bezeichnet, was eine naheliegende, aber quer zur Staatsräson liegende Erklärung ist. Manchmal wird sie bestätigt, manchmal widerlegt. Ulfkotte machte es seinen Kritikern insofern leicht, als er sich von Anfang an missionarisch auf die ihm plausibel scheinende als einzig denkbare Möglichkeit versteifte und daraus monokausale Folgerungen ableitete.

Er war ein mutiger Mann, der sich auf Themenfelder vorwagte, die vermint sind. Ein Publizist, der den gleichen Mut, Energie und Kenntnisse genug hat, um an seine Stelle zu treten, ist noch nicht in Sicht.

Foto: Udo Ulfkotte (1960–2017): Die Grauzone zwischen Politik, Geheimdiensten und Terrorismus faszinierte ihn, sie wurde sein Lebensthema. In einem Nachruf seiner Kollegin im Kopp-Verlag, der ehemaligen „Tagesschau“-Sprecherin Eva Herman heißt es: „Es trieb ihn förmlich, zu warnen, zu mahnen, uns alle zu schütteln, damit wir endlich die Augen aufbekommen und erkennen mögen, was hier um uns herum und mit uns geschieht.“