© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/17 / 20. Januar 2017

Auch die Apokalypse braucht Aufhellung
Dystopien: Wenn Regisseure der Endzeitstimmung ironisch begegnen, gefällt das nicht allen Theaterkritikern
Richard Stoltz

Angeblich kann die abgebrühten Theaterkritiker der „Qualitätspresse“ hierzulande nichts mehr erschüttern. Es kann ihnen auf der Bühne gar nicht toll genug zugehen, je toller, desto wertvoller. Jetzt aber ist die Kritikerin der Süddeutschen Zeitung, Cornelia Fiedler, doch ins Wanken geraten. Alles hat eben seine Grenzen.

Die Dame war im Zuge einer Besichtigungsreise neuer, „dystopischer“, also unheildräuender, hyperkritischer Aufführungen unter anderem nach Dortmund, ins theatralische Herz der deutschen Finsternis, gefahren, um die Uraufführung von Philippe Heules „Die Simulanten“ (Regie: Claudia Bauer) am dortigen Schauspielhaus mitzuerleben, und was sie da zu sehen und zu hören bekam, warf sie einfach um. Ihr blieb schlicht die Spucke weg. Alles hat eben seine Grenzen.

In Dortmund, so erfuhr der Leser, gebe es gar keine an sich notwendige Gesellschaftskritik, sondern lediglich ein freches, dummdreistes Sichlustigmachen über alles und jedes. Eine Truppe junger Leute tobe da herum, ein Haufen larmoyanter, zynischer, wohlstandsverwöhnter „Easy-Jet-Setter“, unter dem Motto: „Ich weiß ja, daß ich schuldig bin am Weltuntergang. Deshalb bestrafe ich mich, indem ich mir ein neues Auto kaufe.“ Das, so Cornelia Fiedler vorige Woche in der Süddeutschen, gehe entschieden zu weit. Es sei keine Diagnose von Zuständen mehr, sondern totale Diagnoseverweigerung.

Gut gebrüllt, Frau Kritikerin! Oder doch nicht ganz so gut? Sie hätte noch einige Absätze weiterdenken sollen. Dann wäre ihr möglicherweise aufgegangen, daß es schlecht ist, immer nur nach allerschwärzesten Farben zu rufen. Sogar die Apokalypse, die schwärzeste aller Dystopien, braucht ja Aufhellung durch Farbnuancen. Der gutgelaunte apokalyptische Auftritt der Dortmunder „Simulanten“ kommt da gerade recht. Autokauf als Strafe für Weltuntergang – apokalyptischer geht’s doch gar nicht.