© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/17 / 20. Januar 2017

Ein realistischerer Plan B
Finanzpolitik: Der Bund der Steuerzahler präsentiert „60 Vorschläge zur Vereinfachung des Steuerrechts“ / Verringerung des Aufwandes?
Christian Schreiber

Der Bundeshaushalt erzielte 2016 einen Überschuß von 6,2 Milliarden Euro. Die Linke will damit kostenlose Mahlzeiten in Schulen und Kindergärten finanzieren. Die SPD verspricht öffentliche Investitionen, Finanzminister Wolfgang Schäuble setzt auf Schuldentilgung. AfD, FDP oder FAZ & Co. würden lieber die Abgabenlast senken. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) rechnet sogar vor, daß „ein weiterer Überschuß in Höhe von 12,8 Milliarden Euro aus dem Jahr 2015 noch auf der hohen Kante liegt und davon noch nicht ein Cent verbraucht wurde“, so BdSt-Präsident Reiner Holznagel. Dieser Etatüberschuß sei abweichend von der Bundeshaushaltsordnung einer Rücklage zugeführt worden, um die erwarteten hohen Flüchtlingskosten zu finanzieren.

Unterschiedliche Werte für ähnliche Sachverhalte

Mit diesem Geld müsse „endlich der Ausstieg aus dem unsäglichen Solidaritätszuschlag angepackt werden. Ein vollständiger Abbau bis 2020 ist problemlos möglich, ohne die Schwarze Null in Frage zu stellen“, forderte Holznagel. Da dafür keine politischen Mehrheiten in Sicht sind, hat der BdSt einen realistischeren Plan B ausgearbeitet: Das Einmaleins der Steuervereinfachung ist eine Broschüre, in der 60 konkrete Anregungen stehen, wie das Abgabensystem wenigstens transparenter werden könnte.

Friedrich Merz’ Steuerberechnung auf dem Bierdeckel sei in weiter Ferne, Umsetzungschancen hätten nur kleinere Reformschritte: „Wir tragen dieser Tatsache Rechnung und geben der Politik mit der vorliegenden Broschüre einen ‘Baukasten’ zur Hand, das Steuerrecht auf Basis des bestehenden Systems zu vereinfachen“, schreiben die Autoren. Freibeträge, Freigrenzen und Pauschalen sollte der Gesetzgeber „quasi auf Räder stellen“ und so regelmäßig anpassen. Beträge, die über Jahrzehnte unverändert blieben, würden die aktuellen Lebensverhältnisse nicht mehr erfassen.

Vor allem das Einkommensteuergesetz (18 Vorschläge) müßte dringend geändert werden. Überholte Vorschriften, die keinen Anwendungsbereich mehr haben, sollten aus dem Gesetz gestrichen werden. Dadurch entstünden dem Fiskus keine Mindereinnahmen, aber dadurch könnte das Gesetz verschlankt werden. Maßstab für die Anpassung der Werte sollte die Inflationsrate sein. Zudem solle bedacht werden, daß unterschiedliche Steuerwerte für ähnliche Sachverhalte Zusatzaufwand verursachen. Die Bundesregierung müsse regelmäßig einen Bericht über den Aktualisierungsbedarf im Steuerrecht vorlegen.

In einem weiteren Artikel bezieht sich die Studie auf mögliche Änderungen von Vorschriften, die durch Anpassungen im Lauf der Jahre immer länger geworden seien. Ein großer Teil der BdSt-Broschüre widmet sich Regelungen, die sich in der Praxis nicht bewährt haben oder erhebliche Bürokratie verursachen. Hierzu zählten Regelungen bezüglich Dienstwagennutzung, der Absetzbarkeit von Steuerberaterhonoraren oder Einkünften aus Verpachtung und Vermietung: „Wo weiterer Vereinfachungsbedarf erkennbar ist, sollte der Gesetzgeber anpacken und die Bürger und Unternehmer durch neue Vereinfachungsregeln entlasten.“ 

99 Paragraphen enthalte das Einkommensteuergesetz: „Darunter befinden sich auch Regelungen, die eigentlich gar nicht direkt mit der Besteuerung des Einkommens im Zusammenhang stehen.“ Eigenständige Rechtsbereiche sollten in eigenständige Gesetze ausgelagert werden. Dies verringere den Umfang und helfe dem Steuerzahler, Vorschriften schneller zu finden. Auch eine Abstimmung mit anderen Rechtsgebieten sei dringend erforderlich. Besonders viele Berührungspunkte weise das Sozialversicherungsrecht auf, etwa wenn es um die Fälligkeit von Lohnsteuer und Versicherungsbeiträgen gehe. Berechnungsgrundlage und Fristen seien aber oft unterschiedlich: „Dies verursacht doppelten Abrechnungsaufwand. Unternehmer leiden vor allem dann, wenn die Bilanzierungsregeln im Steuer- und Handelsrecht weit auseinanderliegen.“

Dringend reformbedürftig seien darüber hinaus die Vorschriften zur Umsatzsteuer. Ähnlich wie im Einkommensteuerrecht enthalte auch das Umsatzsteuergesetz zahlreiche Grenzbeträge. Daran knüpften steuerliche Pflichten an, beispielsweise die Abgabe von Steuervoranmeldungen: „Deshalb müssen die Werte regelmäßig überprüft werden, ob sie noch den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechen.“

Zudem sei es erstrebenswert, daß Bürger das Gesetz und ihren Steuerbescheid verstehen. Komplizierte Rechtsbegriffe sollten durch einfache Formulierungen ersetzt werden. Der BdSt zeigt auch hier, wie es besser gehen könnte: „Statt ‘Vorläufige Steuerfestsetzung’auf den Bescheid zu schreiben, könnte das Finanzamt den Bürgern mitteilen, daß der Bescheid in diesem Punkt später noch geändert werden kann.“