© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/17 / 20. Januar 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Schwesig setzt sich durch
Paul Rosen

Für Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) gilt der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ längst: Als Bundesministerin für Frauen und Familie erhält sie ein genauso hohes Gehalt wie zum Beispiel Finanzminister Wolfgang Schäuble oder Innenminister Thomas de Maizière (beide CDU). Jeder Bundesminister bekommt als Grundgehalt 15.311 Euro im Monat. Hinzu kommt eine jährliche steuerfreie Aufwandspauschale von 3.681 Euro.

Vielleicht wird an diesem Beispiel schon klar, daß es mit der Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit in der Praxis ein Problem gibt. Schwesig, Schäuble und de Maizière sind Bundesminister und verdienen gleich viel; in der Praxis haben Finanz- und Innenminister einen viel umfangreicheren Arbeitsbereich und tragen weit mehr Verantwortung als Schwesig, deren Ministeriumszuständigkeit von Gerhard Schröder einst mit „Frauen und Gedöns“ umschrieben wurde. In der Privatwirtschaft würden de Maizière und Schäuble natürlich mehr verdienen als Schwesig.  

Allerdings gibt es viele, die im Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern, der nach einer älteren Rechnung des Statistischen Bundesamtes bei 23 Prozent liegen soll, einen offenen Diskriminierungstatbestand sehen und gesetzliche Maßnahmen fordern. Nur stimmt die Rechnung so nicht, weil alle Gehälter von einer Supermarkt-Kassiererin bis zum Unternehmensleiter in einen Topf geworfen und damit Äpfel mit Birnen verglichen wurden. Unterschlagen wurde auch, daß Frauen seltener in technische Berufe streben als Männer. Dort sind die Gehälter aber höher. Andere Berechnungen, die auf Ebene gleicher Qualifikationen verglichen haben, kommen auf Unterschiede von zwei bis sieben Prozent, die sich im wesentlichen mit unterschiedlichen Erwerbsbiographien begründen. Das heißt: Frauen reduzieren ihre Stundenzahl oder setzen zeitweise aus, um Kinder zu erziehen. Das Problem liegt also in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 

Das Problem kennt Manuela Schwesig nicht. Trotz zweier Kinder und der damit verbundenen Politikpausen entstand keine Gehaltslücke zu Schäuble oder de Maizière. Aber den Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ vertritt sie derart hartnäckig, daß es ihr sogar gelang, einen Gesetzentwurf durch das Bundeskabinett zu bringen. Jetzt sollen Beschäftigte in Betrieben mit über 200 Mitarbeitern ein Auskunftsrecht erhalten, um zu erfahren, was andere Beschäftigte mit gleicher Tätigkeit verdienen. Das Problem unterschiedlicher Bezahlung wird dadurch natürlich nicht gelöst, aber den betroffenen Unternehmen werden neue bürokratische Pflichten aufgebürdet.

Interessant am bisherigen Beratungsverlauf war der schnelle Zusammenbruch des Widerstandes der Union. Der Hinweis, die CDU habe wie immer SPD-Positionen übernommen, ist zu einfach. Denn die Union scheint in der Wirtschaftspolitik gar nicht mehr in der Lage zu sein, eigene Positionen zu formulieren. Und wenn sie das doch einmal tut, hält sie nicht lange durch. Es zeigt sich – nicht nur an diesem Detail – die Implosion einer Volkspartei.