© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/17 / 20. Januar 2017

Ländersache
Nachsitzen an der Waterkant
Peter Möller

Der Abgeordnete Alexander Wolf kann es nicht fassen: „Man kann doch nicht einfach verfahren nach dem Motto: Was nicht paßt, wird passend gemacht“, schimpfte der schulpolitische Sprecher der AfD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft. Den Grund für die Aufregung hatte Schulsenator Ties Rabe geliefert. Nachdem eine Probeklausur, geschrieben im Dezember von Hamburgs angehenden Abiturienten, mit einem Durchschnitt von 3,9 äußerst schwach ausgefallen war, ordnete der SPD-Mann kurzerhand an, die Ergebnisse pauschal für alle Schüler um eine Note anzuheben.

Auch bei anderen Parteien in der Hansestadt sorgten die bescheidenen Leistungen der Hamburger Gymnasiasten und das Vorgehen des Senators für Entsetzen. „Das schlechte Abschneiden der Schüler bei der Probeklausur ist ein Desaster für die Hamburger Abiturienten und den Ruf des Hamburger Schulsystems“, sagte die CDU-Angeordnete Karin Prien. Die FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels-Frowein sprach von einer „endgültigen Bankrotterklärung“. Unter den Bildungspolitikern der Hansestadt herrscht nach der verpatzten Mathe-Klausur die Sorge, daß sich Hamburgs Schüler auch bei den diesjährigen Mathematik-Abituraufgaben, die als Testlauf für ein mögliches deutschlandweites Zentralabitur erstmals in 14 der 16 Bundesländer gemeinsam gestellt werden, bis auf die Knochen blamieren könnten.

Der gescholtene Senator wollte die Kritik nicht auf sich sitzen lassen und hatte eine ganz eigene Erklärung für das Desaster parat. „Da in keinem weiteren Bundesland eine vergleichbare Klausur geschrieben wurde, bleibt offen, ob die Aufgaben zu schwer waren oder lediglich Hamburgs Schülerinnen und Schüler besser vorbereitet werden müssen“, hieß es aus der Schulbehörde. Das Ergebnis der Probeklausur zeige gleichwohl, wie richtig es gewesen sei, daß Hamburg die neuen Mathematikaufgaben unter echten Abiturbedingungen getestet habe. 

„Es ist noch Zeit, um die Vorbereitung auf das Abitur zu intensivieren“, kündigte Rabe an, und legte ein Aktionsprogramm auf. Um zu verhindern, daß sich die Hamburger Schüler bei den im Mai anstehenden „echten“ Abiturklausuren zum Gespött machen, sollen die Schulen nun aber mindestens zwölf zusätzliche Übungs- und Vorbereitungsstunden für Mathematik in der für Abiturienten normalerweise unterrichtsfreien Zeit Mitte April als Angebot organisieren. Zudem sind Nachhilfeangebote an den Nachmittagen geplant, außerdem werden weitere Übungsaufgaben ins Internet gestellt. 

Das alles trägt nicht unbedingt zur Beruhigung der Schüler und ihrer Eltern bei. Die Elternkammer, die Vertretung der Väter und Mütter schulpflichtiger Kinder, forderte die Schulbehörde auf, die Ursachen für das schwache Ergebnis zu analysieren sowie Qualität und Ausrichtung des Matheunterrichts an den Hamburger Schulen grundsätzlich anzugehen.

Mit besonderem Interesse wird die Noten-Posse derweil in anderen Bundesländern beobachtet. Erst im Dezember hatte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, ein „Noten-Dumping“ beklagt. Damals erntete Kraus vor allem von einem Bildungspolitiker heftigen Widerspruch: Hamburgs Schulsenator Ties Rabe.