© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

Wie die Uno hilft, Regenwald zu vernichten
Undurchsichtiger Machtpoker um die Naturressourcen des Anden-Staates Peru / Lukratives Insiderwissen
Christoph Keller

Die Meldung hatte es in sich, schaffte es auf einen Mittelplatz in der Berichterstattung: In Brasilien zeichnet sich eine Trendwende bei der Abholzung des Regenwaldes ab. Und zwar nicht zum Guten. Knapp 8.000 Quadratkilometer Amazonas-Regenwald, etwa die Hälfte der Fläche Thüringens, gingen zwischen August 2015 und Juli 2016 verloren. Das ist der größte, vom staatlichen Umweltforschungsinstitut Inpe seit 2008 registrierte nationale Waldverlust. Zuletzt war die Entwaldungsrate 2012 auf 4.500 Quadratkilometer gesunken. Seitdem aber stachelt die forcierte Gier nach Tropenholz, nach Weide- und Ackerland zu Kettensägenmassakern an.

Die Umweltstiftung WWF Deutschland sieht im jüngsten „Rekord“ deshalb ein böses Vorzeichen, das weitere, noch heftigere Zerstörungen ankündige. Zumal einer der größten Sojaunternehmer Brasiliens, Blairo Borges Maggi von der wirtschaftsliberalen Partido Progressista, seit Mai 2016 Agrarminister ist und sich der Erschließung neuer Anbauflächen wohl nicht verweigern dürfte.

Wer sich dem Engagement für den Erhalt der grünen Lungen des Planeten verschrieben hat, wie die Mitglieder des 1988 gegründeten Hamburger Vereins „Rettet den Regenwald“, ist Hiobsbotschaften wie die aktuelle Inpe-Statistik gewohnt. Zumal die Regenwaldschützer gerade über einen Fall ökologischen Raubbaus aus Peru berichten, der den brasilianischen Praktiken in nichts nachsteht, sondern sie sogar noch in den Schatten stellt.

Der Regenwald-Report (4/16) stützt sich dabei auf die gemeinsame Recherche eines WDR-Teams und des Zeit-Journalisten Felix Rohrbeck. Die ARD-Reportage „Steuergelder für die Koka-Mafia“ sowie Rohrbecks Artikel „Der König im Kokaland“ (Die Zeit, 38/16) nährten erstmals den Verdacht, daß die Vereinten Nationen (UN) zumindest fahrlässig der Regenwaldvernichtung in Südamerika den Weg bereiten.

Die Zentralfigur in dem kaum ansatzweise entwirrten Machtpoker um Perus Regenwald ist Rohrbecks „König im Kokaland“, der Deutsche Hans-Jochen Wiese, der seit 30 Jahren für die Uno in dem lange von Bürgerkrieg und Terror heimgesuchten Anden-Staat tätig ist. Wiese organisierte ein 100-Millionen-Dollar-Programm der UN-Behörde zur Drogen- und Verbrechensbekämpfung (Unodc). Es soll peruanische Bauern motivieren, von der Koka-Produktion für die Mafia auf Kaffee, Kakao oder Ölpalmen umzusatteln. Eine nachhaltige Alternative scheint daraus nicht entstanden zu sein. Zwar behauptet Wiese, 27.000 Bauern zur Umstellung bewogen und in Kooperativen zusammengeschlossen zu haben, deren Palmölmühlen und Verarbeitungsbetriebe für jährlich 150 Millionen Dollar exportieren. Dagegen stehen Aussagen der Kleinbauern, die über niedrige Preise, Abhängigkeit vom Weltmarkt und sich an ihnen bereichernde UN-Funktionäre klagen.

Industrielle Monokulturen mit Ölpalmen und Kakao

Noch weniger glaubwürdig wirken Wieses Erfolgsbilanzen angesichts der Tatsache, daß Peru ungeachtet des Unodc-Programms neben Kolumbien zum größten Koka-Produzenten Südamerikas aufgestiegen ist. „Statt den Drogenanbau einzudämmen, werden jetzt weitere Regenwälder abgeholzt – für Koka und für Industrieplantagen.“ Auch bei dieser, primären Regenwald abräumenden Kombination von Koka und Palmöl weist vieles auf UN-Verflechtungen.

Für Rohrbeck zieht dabei der US-Unternehmer Dennis Melka die wichtigsten Fäden. Der gebürtige Tscheche arbeitete bis 2005 als Investmentbanker bei der 1996 gegründeten Credit Suisse First Boston (CSFB) und war dort zuständig für Südostasien. Danach stieg Melka in Malaysia selbst ins Ölpalmengeschäft ein und machte bei der Entwaldung Borneos ein Vermögen. Vom bereits zu engen Markt dort verdrängt, richteten sich seine Begehrlichkeiten seit 2010 auf lukrativere Investitionsmöglichkeiten in Peru, wo er zunächst als UN-Berater anheuerte.

Nach dem Auslaufen des Beratervertrages habe Melka ein Netzwerk von zwei Dutzend Firmen geschaffen, um in Peru industrielle Monokulturen mit Ölpalmen und Kakao anzulegen. 15.000 Hektar Urwald soll die Melka-Gruppe nach den auf Satellitenaufnahmen beruhenden Angaben der britisch-amerikanischen Umweltorganisation EIA in Plantagen verwandelt haben. Ehemals leitende Angestellte des UN-Konversionsprogramms stehen heute in Melkas Sold. Ihr Insiderwissen und ihre Kontakte fördern nun dessen Projekte.

Als bekanntesten Seitenwechsler nennen Regenwald-Aktivisten Alfredo Rivera, den langjährigen Projektleiter für die UN-Palmölplantagen, der jetzt Generalmanager des Melka-Imperiums ist. Laut WDR-Informationen soll Rivera aber schon für Melka operiert haben, als er noch UN-Gehalt bezog. Ähnlich schwere Vorwürfe resultieren aus Indizien, die die Reporter gegen Wiese sammelten. Er habe sich bei der Regionalregierung der peruanischen Nordostprovinz Ucayali für Melka verwendet, um den Schutzstatus von Regenwaldarealen aufzuheben und sie als Anbaugebiete für Ölpalmen auszuweisen.

Zu den Vorwürfen habe die Uno bislang geschwiegen, dem Hamburger Verein jedoch mitgeteilt, daß „interne Ermittlungen“ eingeleitet worden seien. Die hanseatischen Regenwaldschützer, die deswegen eine Petition an die UN initiierten, sehen dies nicht als Entlastung an. Denn aus ihrer Sicht duldet die UN „die Machenschaften ihrer Mitarbeiter“. Andernfalls hätte sie die Untersuchungs- und Gerichtsverfahren, die mittlerweile gegen die Melka-Gruppe und unter Korruptionsverdacht stehende Beamte in Peru anhängig sind, aktiv unterstützt. Und die UN beteilige sich auch nicht daran, den Einwohnern bei der Beseitigung der angerichteten Schäden zu helfen.





Die Regenwälder in Südamerika

Etwa ein Drittel der globalen Waldfläche sind tropische Regenwälder. Die drei größten Regionen, die über 13 Millionen Quadratkilometer bedecken, sind Amazonien, das Kongobecken und die Inselwelt Südostasiens. Kleinere Gebiete gibt es in Indien, Indochina, Nordaustralien, auf Madagaskar, in Mittelamerika und der Karibik. Das mit 6,7 Millionen Quadratkilometern größte zusammenhängende Regenwaldgebiet dehnt sich über das Amazonasbecken aus. Über die Hälfte davon entfällt auf Brasilien. Peru besitzt 740.000, Kolumbien 600.000 und Bolivien 570.000 Quadratkilometer Regenwald. Hinzu kommen kleinere Gebiete in Ecuador, Guyana, Französisch-Guyana, Surinam und Venezuela. „Allein durch seinen immensen Wasserhaushalt hat das größte Regenwaldgebiet der Welt einen enormen Einfluß auf die Erdatmosphäre. Dessen natürliche Vegetation und ihr Wolkendach schützen vor einer stärkeren Aufheizung unseres Planeten“, schreibt der WWF.

Waldbericht der UN-Agrarorganisation „Global Forest Resources Assessment 2015“:  www.fao.org

Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais (Inpe): www.inpe.br

„Plantagen raus aus dem Regenwald !“ – Petition an Regierungen von Peru und Deutschland: www.regenwald.org