© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

Et hätt noch emmer joot jejange
„Racial Profiling“: Dank eines konsequenten Polizeieinsatzes blieb es in Köln zu Silvester weitgehend ruhig / Kritik der Grünen-Chefin stößt auf Widerspruch
Thorsten Brückner

Nach den sexuellen Übergriffen durch junge Migranten zu Silvester 2015 mußte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger klar sein, daß es diesmal um seinen Posten gehen würde, sollte sich ähnliches in der Nacht von 2016 auf 2017 wiederholen. Die diesmal allein in Köln eingesetzten rund 1.700 Polizisten sicherten somit auch den Stuhl ihres sozialdemokratischen Chefs, der die Neujahrsnacht nach eigenen Angaben selbst auf der Domplatte verbrachte. Jäger lobte die Arbeit der Polizei, der es gelungen war, Hunderte nordafrikanische Männer noch am Hauptbahnhof festzusetzen. 

Doch nicht alle bewerteten den erfolgreichen Polizeieinsatz so positiv. Es stelle sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, „wenn insgesamt knapp 1.000 Personen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt“ worden seien, sagte die Grünen-Vorsitzende Simone Peter. Am Montag ruderte sie allerdings zurück und dankte der Polizei für ihren Einsatz. Auf Facebook schrieb sie: „Klar ist, daß die Polizei umsichtig gehandelt hat, wenn sie schnell und konsequent verabredete Gruppen an erneuten Gewaltausbrüchen gehindert hat.“

Diskriminierungsverbot     im Grundgesetz

Als einer der ersten hatte sich der Kölner Bundestagsabgeordnete Volker Beck an einem Tweet der Polizei NRW gestört, in dem diese die polizeiinterne Abkürzung „Nafri“ („Nordafrikanische  Intensivtäter“) benutzte. „Geht gar nicht“, twitterte Beck und warf kurz darauf der Polizei auch noch „racial profiling“ vor. Der Begriff bezeichnet die gezielte, anlaßlose Kontrolle oder Festnahme eines Individuums allein wegen dessen Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe. In Großbritannien und den Vereinigten Staaten ist den Sicherheitskräften „racial profiling“ explizit untersagt. Andere Länder wie Israel wenden z.B. bei Flughafenkontrollen Elemente des „racial profiling“ an, allerdings immer in Verbindung mit weiteren Merkmalen, wie Alter oder Geschlecht. In Deutschland ist „racial profiling“ nicht explizit per Gesetz verboten. Dennoch haben im vergangenen Jahr das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz und das Verwaltungsgericht Köln in ihren Urteilen unter Verweis auf das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz „racial profiling“ der Bundespolizei als rechtswidrig erkannt. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bestätigte: „Das ‘racial profiling’ ist aus unserer Sicht rechtswidrig.“ 

Widerspruch gegen die Kritik an der Kölner Polizei kam selbst von grünen Parteifreunden. Die Innenexpertin der Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, früher selbst Polizeibeamtin, stellte gegenüber der Welt klar: „Von ‘racial profiling’ kann man immer dann reden, wenn ein Mensch einzig aufgrund seiner Hautfarbe ohne weitere Verdachtskriterien anlaßlos kontrolliert wird. Wenn ich aber eine größere Gruppe junger Männer habe, die sich offenkundig aggressiv verhält und ganz gezielt einen Ort aufsucht, von dem wir aus den Erfahrungen des letzten Jahres wissen, was sich dort für Straftaten abgespielt haben, dann kann ich nicht mehr von ‘anlaßlos’ reden.“

Ein positives Fazit zog erwartungsgemäß auch der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt: „Wenn die Polizei nicht so proaktiv eingeschritten wäre, hätte es eine Wiederholung der Silvesterübergriffe aus dem Vorjahr gegeben. Die kontrollierten Gruppen hatten es durchaus darauf abgesehen“, sagte Wendt der JUNGEN FREIHEIT. 

 Mehrheitlich kritisch bewerteten Politiker der im Bundestag vertretenen Parteien hingegen die Wortwahl „Nafri“. Daß die Polizei diesen Begriff benutzt habe, sei unglücklich gewesen, so der Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestags, Ansgar Heveling (CDU). Auch der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies bedauerte mittlerweile den Tweet: „Den Begriff finde ich sehr unglücklich verwendet hier in der Situation“, sagte er dem WDR. Es handele es sich bei dem Wort um eine polizeiinterne Bezeichnung für eine bestimmte Risikogruppe. 

Laut der Kölner Polizei hatten sich in der Silvesternacht zahlreiche Gruppen junger Männer ins Rheinland aufgemacht. Die größte Gruppe habe etwa 2.000 Personen umfaßt. Mindestens tausend seien in Köln angekommen. Von diesen habe die Polizei 650 überprüft, weil eine Grundaggressivität von ihnen ausgegangen sei. 98 Prozent der Kontrollierten stammten demnach aus Nordafrika.