© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/17 / 06. Januar 2017

Lesereinspruch

Falsche Zuschreibung

Zu: „Wenn Imperien sterben“ von Wolfgang Kaufmann (JF 52/16–1/17)

Nein, nicht spätrömische Dekadenz, Überalterung und Hedonismus brachen Rom das Genick, sondern das mit Brachialgewalt im Jahre 380 als Staatsreligion eingesetzte Christentum. Bibliotheken wurden niedergebrannt, technische Artefakte zerschlagen, Bäder und Aquädukte ließ man verkommen. Bronzeskulpturen wurden eingeschmolzen, Marmorstatuen heidnischer Gottheiten zu Kalk gebrannt, Schulen, Universitäten und Sportstätten per kaiserlichem Erlaß geschlossen (zum Beispiel Olympia). Römische Bürger verfielen der Ächtung, bald dem Tode, wenn sie sich weigerten, die neue Staatsreligion anzunehmen. Innerhalb weniger Generationen wurden die Römer in ein Volk von Analphabeten verwandelt. Medizinische und hygienische Errungenschaften wurden verachtet, naturwissenschaftliches und technisches Wissen verfemt und deren Träger ermordet, wie die von christlichen Mönchen grausam zu Tode gebrachte Hypatia von Alexandria. Deshalb der Verfall des Staates, von Bürgersinn und Wehrhaftigkeit, letztlich der Zivilisation. „Dekadent“ waren die Römer schon Jahrhunderte, ohne deshalb unterzugehen.

Werner Ocker, Schneverdingen