© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/16-01/17 23. Dezember / 30. Dezember 2016

Für die Einheit, notfalls gegen Kohl
Nachruf I: Mit Karl Feldmeyer verstarb ein vorbildlicher Konservativer und engagierter politischer Journalist
Detlef Kühn

Karl Feldmeyer, der am 18. Dezember in Berlin im Alter von 78 Jahren nach längerer Krankheit verstarb, war mit Leib und Seele ein stets politisch denkender Journalist. Der  gebürtige Schwabe aus Mindelheim, aufgewachsen in Bad Kreuznach, studierte in Mainz Geschichte. In dieser Zeit entwickelte sich sein besonderes Interesse an der Geschichte Preußens. Daß er danach, ebenso wie sein Vater, Journalist werden würde, stand wohl nie ernsthaft in Frage. Seine journalistischen Sporen verdiente er sich bei der Mainzer Allgemeinen. Es folgten einige Jahre bei der Frankfurter Neuen Presse.  1971 stieß er zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), in der er bis 2003 praktisch sein ganzes Berufsleben verbrachte. Das Blatt entsandte ihn 1976 als politischen Korrespondenten in die Bundeshauptstadt Bonn. 1999 folgte er in gleicher Funktion Regierung und Parlament nach Berlin. 

Wiedervereinigungsgebot  als politischer Grundsatz

Schwerpunkte seiner Berichterstattung waren die Deutschland-Politik, die Verteidigungspolitik und die CDU. In allen drei Bereichen sammelte er im Laufe der Jahre ein so umfangreiches Spezialwissen an, daß er nicht nur die Tagespolitik begleitete, sondern so fundierte Analysen lieferte, daß er auch als Ratgeber für die Politik gefragt war. Feldmeyer wachte dabei über die Einhaltung politischer Grundsätze, die er für zwingend hielt, auch wenn sie die politischen Akteure nicht ganz so ernst nahmen wie er. Das galt insbesondere für das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes, aber auch für eine handlungsfähige Nato, die nach seiner Ansicht allein die Abschreckung gegenüber militärischen Übergriffen des Ostblocks gewährleisten  konnte. 

In der CDU, der er nie beitrat, unterstützte er folgerichtig besonders Deutschlandpolitiker wie Johann Baptist Gradl und Bernhard Friedmann, der besonders deutlich den Zusammenhang zwischen Sicherheits- und Wiedervereinigungspolitik erkannte und in seinem Buch „Einheit statt Raketen“ thematisierte. Damit geriet Karl Feldmeyer, ebenso wie Friedmann und andere, in deutlichen Gegensatz zur Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl, in der die Akteure nur noch auf Europa setzten. 

Der Gedanke, der dahinterstand, war, daß – wenn das vereinte Europa erst von Lissabon bis Wladiwostok reichen würde, die Wiedervereinigung Deutschlands sozusagen zwangsläufig abfallen würde. Karl Feldmeyer sah darin zu Recht die Aufgabe jeder aktiven Wiedervereinigungspolitik, die doch verfassungsrechtlich geboten war, und äußerte sich entsprechend in seinem Blatt. Es bleibt ein Ruhmesblatt in der Geschichte der FAZ, daß ihre Herausgeber jedem Druck von höchster politischer Stelle, Feldmeyer aus Bonn abzuziehen, widerstanden.

Es fehlte schon in dieser Zeit nicht an Ehrungen. Bereits in jungen Jahren erhielt Karl Feldmeyer den angesehenen Theodor-Wolff-Preis. Jahrzehnte später wurde er ihm noch einmal für sein Lebenswerk verliehen, was ihn besonders freute, schloß dieses Lob doch, nach seinem altersbedingten Ausscheiden aus der FAZ-Radaktion, sein Engagement für diese Zeitung ein. 

Auch die Bundeswehr wußte seine kritische, aber immer sachliche und bestens recherchierte Berichterstattung zu schätzen. Sie verlieh ihm den höchsten Orden, den ein Nicht-Soldat erhalten kann, das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold. 2013 wurde Karl Feldmeyer durch die Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung mit dem Gerhard-Löwenthal-Ehrenpreis für sein publizistisches Lebenswerk geehrt wurde.

Richtig aufregen konnte sich Karl Feldmeyer, wenn er Ungerechtigkeit witterte. An der Wiedervereinigung, für die er sich leidenschaftlich eingesetzt hatte, störte ihn, daß die Enteignungen der Zeit nach 1945 im Zuge der Bodenreform nicht rückgängig gemacht wurden, vor allem aber, daß der Staat Bundesrepublik Grundbesitz, über den er verfügen konnte, nicht restituieren wollte. In einer Artikelserie in der FAZ, die dann auch unter dem Titel „Schwierige Heimkehr“ in Buchform erschien und ein großer Erfolg war, schilderte er die Probleme und Erlebnisse der Adelsfamilien, die nach 1990 in die Heimat ihrer 1945 vertriebenen Vorfahren zurückkehrten und dort allen Schwierigkeiten zum Trotz wieder heimisch wurden.

Nach dem Ende der Sowjetunion 1991 interessierte sich Karl Feldmeyer besonders für das Schicksal der baltischen Staaten, die er teilweise schon vor der Wende kennengelernt hatte. In Estland und Lettland fand er persönliche Freunde. Der prominenteste war der estnische Staatspräsident Lennart Meri, der ihn wiederholt als Ratgeber beim schwierigen Umgang mit den westeuropäischen Partnerländern heranzog. Meri und Feldmeyer verband die Gewißheit, daß die Nationalstaaten in Europa lebenskräftig bleiben müssen, soll der Kontinent insgesamt erfolgreich sein. Feldmeyer verfolgte deshalb die Absurditäten der Euro-Rettungspolitik mit besonderem Mißtrauen und nutzte seine verbliebenen journalistischen Möglichkeiten, um vor ihnen zu warnen. Folgerichtig sah er daher auch das Erstarken der brüsselkritischen Bewegungen in verschiedenen europäischen Ländern durchaus mit Sympathie. Dies gilt auch für Deutschland nach den brutalen Fehlern in der Einwanderungspolitik vom Herbst 2015.

Dem Autor sei zum Schluß dieses Nachrufs noch ein persönliches Wort gestattet: Karl Feldmeyers Tod beendet eine fast vierzigjährige enge Freundschaft und Zusammenarbeit. Sie basierte anfänglich auf gemeinsamen deutschlandpolitischen Interessen, dehnte sich aber bald  auf das private und familiäre Umfeld aus. Gemeinsame Reisen in die DDR und sogar in die Sowjetunion und das kommunistische Polen festigten diese Bande. Wir hatten keine Geheimnisse voreinander und besprachen alles, was uns wichtig war. Daß dies nun nicht mehr möglich ist, wird ein Schmerz bleiben. Immerhin: Karl Feldmeyer und seine Artikel sind schon jetzt in vielen zeitgeschichtlichen Werken als Quellen und kompetente Meinungsäußerungen präsent. Das wird so bleiben und hoffentlich noch zunehmen. 

In einer noch zu schreibenden Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sollte ihm mehr als eine Fußnote sicher sein.