© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Das Medienspektrum im Internet wächst
Vergangene Woche starteten der Meinungsblog „Salonkolumnisten“ und die Online-Zeitung „The GermanZ“
Ronald Berthold / Gil Barkei

„Salonkolumnisten“

Daß die Macher eines neuen journalistischen Mediums ihr Projekt in einer parteinahen Stiftung vorstellen, ist ungewöhnlich. Aber überparteilich wollen die „Salonkolumnisten“ auch nicht sein. Sie suchen – so mußte man die Rede ihres Gründers Jan-Philipp Hein vor der Konrad-Adenauer-Stiftung verstehen – bewußt die Nähe eines Spektrums von Antifa bis CDU.

Denn der Blog, durch dessen Logo ein von einer Pistole abgefeuertes Geschoß fliegt, soll eine Festung gegen die „Demagogen der postmodernen Finsternis“ sein. Unter dem Porträt des ersten Bundeskanzlers schwärmte Hein von einem „jahrzehntelang kampferprobten Antifa-Aktivisten“, der sich dazu bekannt habe, „Aufkleber zu entfernen, auf denen ‘Merkel muß weg!‘ steht“. Damit waren der Überbau des Projektes und die Zielgruppe skizziert.

Ebenso machte er klar, gegen wen sich der Blog richtet – gegen kritische Journalisten, „die in Wahrheit eben keine Kritik üben wollen, sondern an fundamentalen Umwälzungen arbeiten“. Ihm werde „mulmig“, wenn er Begriffe wie „linksgrün-versifft“, „Umvolkung“, „Staatsratsvorsitzende Merkel“ oder Abkürzungen wie „EUdSSR“ höre. 

Und das Projekt soll wohl auch Therapie gegen die eigene „schwere Glaubenskrise“ sein, in die ihre Macher gestürzt sind. Ursachen: die von Viktor Orbán errichtete „Demokratur“ in Ungarn, Renzis verlorener Volksentscheid in Italien sowie die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Die „Salonkolumnisten“ wollen das dadurch bedrohte „System“ publizistisch verteidigen.

Für sie schreiben 24 Autoren. Einer davon ist Alex Feuerherdt. Von ihm stammt der Beitrag mit der Überschrift „Universitäten, die nicht wissen, was Antisemitismus ist“. Der Einstieg lautet: „Neues aus Niedersachsen“. Allerdings ist an dem Text absolut nichts neu. Denn er ist wortwörtlich ausgerechnet auf der „Achse des Guten“ zweieinhalb Wochen zuvor veröffentlicht worden. Der Autorenblog von Henryk M. Broder dürfte zu den Feindbildern zählen, über die Hein referiert hatte. Daß die „Salonkolumnisten“ nun dessen Inhalte übernehmen, gehört wohl in die Rubrik „peinlicher Fehlstart“.

Nicht einer gewissen Ironie entbehrt daher auch die Tatsache, daß Michael Miersch nun bei den „Salonkolumnisten“ mitmacht. Er gehört zu den „Achse“-Gründern und beklagte bei seinem Ausstieg im Januar vorigen Jahres, daß sich der Blog von seiner „ursprünglich liberalen, weltoffenen und aufgeklärten Haltung“ verabschiedet habe.

Das bedrohte „System“ publizistisch verteidigen

In Mierschs neuer publizistischer Heimat erscheinen nun Texte, die so angeteasert werden: „Warum Abendländler sich ihren Sexualneid auf Muslime sparen können.“ Autorin Ellen Daniel versteigt sich darin zu der These, daß die vermeintlich islamophobe Haltung deutscher Journalisten tatsächlich der „blanke Macho-Neid auf eine Welt“ sei, „die man zu bekämpfen vorgibt“.

Hein wiederum unterstellt Kollegen, „ein autoritäres System“ zu propagieren. Dies äußere sich zum Beispiel in Forderungen, daß Schluß sein müsse „mit diesem ‘Gender-Wahn‘” und „mit dieser ewigen Rücksicht auf irgendwelche Minderheiten“. Vor der Konrad-Adenauer-Stiftung sagte er dazu: „Wie gefährlich das ist, muß ich an dieser Stelle niemandem erläutern.“

Erläuterungen sind in der Tat nicht die Stärke der „Salonkolumnisten“. Hier geht es um Meinungen und Demagogie, wie Hein offen bekennt. Die Blogger wollten „Demagogen des Guten“ sein.





„The GermanZ“

In die Lücke, die frühere konservative Garanten wie die FAZ oder Die Welt durch ihr Anschließen an Merkels Linksrutsch hinterlassen haben, stößt die Online-Tageszeitung the-germanz.de des Journalisten und Medienunternehmers Klaus Kelle. Der Anglizismus dürfte vielen nicht gefallen, soll aber neben der Botschaft, wieder verstärkt die deutsche Interessenlage in die Nachrichtenanalyse zu rücken, besonders junge Leser ansprechen.

„Hätte ich das Projekt zum Beispiel ‘Deutsche Stimme’ genannt“, so Kelle gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, „käme es nicht nur altertümlich rüber, sondern wäre gleich wieder in die rechte Ecke gedrängt worden.“ Die Zeitung solle jedoch parteipolitisch unabhängig  sein und in der Berichterstattung, die viel zu sehr von dem Blick der Medien auf die linken und rechten Ränder dominiert sei, gezielt die „schlafende bürgerliche Mitte stärken“ und „der schweigenden Mehrheit sagen, daß sie immer noch die Mehrheit ist.“

Kelle möchte „den vielen klugen Köpfen“, die er in den vergangenen Jahren kennengelernt hat, „die aber kaum bekannt sind, eine Bühne bieten“. Die Medien schauten zwar, was jemand wann bei Pegida gesagt habe, aber berichteten kaum über intelligente Beiträge während einer einfachen Diskussionsveranstaltung bei einer Stiftung oder einem Institut.

Eine dieser bisher weniger geläufigen Stimmen ist der katholische Journalist und Schriftsteller Stefan Meetschen, der in seinem ersten Meinungsbeitrag fordert, „Deutschland braucht endlich wieder Helden“, die „den Gästen aus einem anderen Kulturkreis (oder gegenüber einheimischen Dumpfbacken) unmißverständlich klarmachen, daß man so mit Frauen nicht umgeht.“ Er verdeutlicht damit den angekündigten Anspruch von The GermanZ, „seriösen Journalismus“ ohne Politische Korrektheit und „Volkserziehungsauftrag“ bieten zu wollen. Klause Kelle betont dazu: „Wir wollen schreiben, wie die Leute reden und uns nicht Gedanken machen müssen, ob man erwähnt, daß jemand beispielsweise Tunesier ist.“ 

Er bleibt damit seiner erfolgreichen Freitagskolumne „Politisch inkorrekt“ in der Rheinischen Post treu, die er nach deren überraschender Absetzung auf Wunsch vieler treuer Leser mit seinem Blog denken-erwuenscht.com weitergeführt hat. Den Kommentarblog wird er fortsetzen, genauso wie die regionalen Nachrichtenportale bayernjetzt.de und nrwjetzt.de.

Plattform für kluge, bisher weniger bekannte Köpfe

Auch die meisten bisher an seiner Seite versammelten Autoren sind bereits in der Bloggerszene aktiv. Peter Winnemöller betreibt neben der persönlichen Seite katholon.de zusammen mit Martin Wind den konservativen Meinungsblog disputata.de. Daß neben Meetschen und Winnemöller auch Felix Honekamp, der zugleich für Eigentümlich frei schreibt, mit papsttreuerblog.de einen christlichen Wirkungshintergrund besitzt, zeigt einen besonderen Bezug von The GermanZ zur Religion.

Insgesamt stellt sich das Online-Blatt der Herausforderung, alle für eine Tageszeitung typischen Ressorts von In- und Ausland über Wirtschaft und Kultur bis Sport abzudecken. 

Die Leser will Kelle dabei verstärkt einbinden und fordert sie mit dem Hinweis, die Seite sei auch „IHR Medium“ dazu auf, Ideen, Themen und Meinungen einzureichen. 

Dies und die Einbeziehung der Zeitgeistforscherin Kristine Fratz als Stimme für Zukunftsfragen veranschaulichen den Versuch, nicht nur die in den letzten Jahren eintöniger gewordene Medienlandschaft wieder breiter aufzustellen, sondern auch experimentell auszuloten, welche Nachrichtenformate zukunftsfähig sind. Eine gedruckte Ausgabe ist jedenfalls nicht geplant.