© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Möglichst viele Treulose umstimmen
Electoral College: Trump erhielt 306 Wahlmännerstimmen / Er könnte sich am kommenden Montag 36 Abweichler leisten und wäre immer noch Präsident
Thorsten Brückner

Der neu gewählte US-Präsident Donald Trump ist für zahlreiche Positionswechsel bekannt. Auch zum Electoral College, das am kommenden Montag den 45. Präsidenten wählen wird, hatte der 70jährige vor vier Jahren noch eine unzweideutige Meinung: „Ein Desaster für eine Demokratie“ nannte er damals das Wahlmännergremium. Nun verdankt er seinen Sieg aber ausgerechnet dieser Besonderheit. Fast drei Millionen Stimmen liegt er nach Auszählung fast aller Stimmen landesweit hinter Clinton. Und siehe da: Auf Twitter nannte er das Electoral College nun „eine geniale Einrichtung“.

Die Wahlmänner, nominiert von den jeweiligen Parteien, kommen in ihrem Heimatstaat zusammen. Jeder Staat verfügt dabei über so viele Wahlmänner wie ihm auf Basis des letzten Zensus (2010) zustehen. Die Anzahl an Wahlmännern ist immer identisch mit der Zahl der Kongreßmitglieder des jeweiligen Staates. Mit einer Ausnahme: Seit 1964 darf auch Washington D.C., das nicht im Kongreß vertreten ist, an Präsidentschaftswahlen teilnehmen.

Absetzbewegungen von Trump sind kaum zu sehen

Noch mehr als bei vergangenen Abstimmungen ist in diesem Jahr das Phänomen der „faithless electors“ (treulose Wahlmänner) in den Vordergrund getreten. Erst einmal, bei der Wahl von 1836, gab es einen konzertierten Versuch mehrerer Wahlmänner, einem Kandidaten die Stimme geschlossen zu versagen. Damals enthielt sich die Delegation des Staates Virginias bei der Wahl des Vizepräsidenten Richard Johnson, der keine Mehrheit erhielt und über dessen Wahl daraufhin der Senat entscheiden mußte.

 180 Jahre später hat sich eine Gruppe von acht Wahlmännern formiert, die eine Präsidentschaft von Trump verhindern will und stattdessen einen republikanischen Kompromißkandidaten anstrebt. Der Name John Kasich, Gouverneur von Ohio, macht dabei die Runde. Kasich selbst distanzierte sich von den Plänen. Die „Hamilton-Wahlmänner“ wie sich die Gruppe selbst nennt, die von der Wahlfrau Polly Baca, einer Demokratin aus Colorado organisiert werden, besteht derzeit nur aus Demokraten. Ziel der Gruppe ist es aber, möglichst viele von Trumps-Wahlmännern auf ihre Seite zu ziehen. Bisher hat erst ein republikanischer Wahlmann aus Texas seine Absicht bekundet, entgegen dem Votum seines Staates nicht für Trump stimmen zu wollen. Ein weiterer Texaner hat sich durch einen anderen ersetzen lassen, weil er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, für Trump zu votieren. 

 Daß die „Hamilton-Electors“ zusammen mit republikanischen Wahlmännern, die sich ihnen anschließen könnten, Einfluß auf das Ergebnis nehmen, ist dennoch unwahrscheinlich. Trump erhielt am 8. November 306 Wahlmännerstimmen. Er könnte sich also 36 Abweichler leisten und wäre immer noch Präsident. Absetzbewegungen von Trump auf republikanischer Seite sind derzeit nicht auszumachen. Und: Noch nie in der Geschichte der USA hat einer der 157 „faithless electors“ die es bisher gab, das Ergebnis einer Wahl ins Gegenteil verkehrt. Dennoch ist allein aufgrund der Ankündigungen der Hamilton-Gruppe dieses Jahr ungleich mehr Musik in der Angelegenheit. 

Der bisher letzte Fall eines „faithless elector“ stammt aus dem Jahr 2000, als sich bei der engen Wahl zwischen George Bush und Al Gore eine Wahlfrau aus Washington D.C. der Stimme enthielt, um auf die fehlende Repräsentation der Stadt im Kongreß aufmerksam zu machen. Rechtlich gesehen sind Wahlmänner in ihrer Entscheidung frei. In 29 Staaten drohen ihnen Strafen, falls sie einen anderen Kandidaten wählen als den, für den ihr Heimatstaat in der Wahl votiert hat. Aber nur zwei Staaten, Michigan und Minnesota, erklären in einem solchen Fall bereits abgegebene Wahlmännerstimmen für ungültig.