© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Grüße aus Wien
Manner huldigen
René-Lysander Scheibe

Süß im Geschmack, verpackt in altrosa Stanniolpapier mit blauem Schriftzug und der Silhouette des Stephansdoms: Die Mannerschnitte mag man eben! Kein Kind wächst ohne die Waffelschnitten auf. Kaum sind die Milchzähne vollständig, werden sie auch schon mit diesen Neapolitanerschnitten drangsaliert. Es gibt sie in quadratischen Päckchen oder, günstiger, als „Bruch“ im Sackerl. 

Auch später in der Schule ist sie einer der beliebtesten Bestandteile eines sogenannten Lunch-Packerls. Meist werden die Schnitten als erstes verzehrt und mit picksüßem Fruchtsaft hinuntergespült, während das Wurst- oder Käsebrot noch lange warten darf. Den Apfel essen übrigens auch Soldaten stets als letztes – und aus dem Lunchpaket aus Schultagen ist die Kaltverpflegung der Rekruten geworden. 

Ein Buch über die Waffel wurde betitelt mit: „Die Schnitten der Patrioten“.

Was da alles draufsteht, auf der Verpackung! Neapel und Haselnüsse etwa. Übelmeinende Gesellen spotten darüber, daß die Schnitten mit Neapel soviel zu tun haben wie ein Eisbär und zudem noch nie auch nur eine Haselnuß gesehen haben, wohingegen Realisten von einer zumindestens homöopathischen Beimengung der Gattung Corylus (Hasel) überzeugt sind. 

Genau besehen zeichnet sich die Mannerschnitte durch ihren hohen Wiedererkennungswert aus, sie ist ein österreichisches Symbol, und ein Buch über sie wurde betitelt mit: „Die Schnitten der Patrioten“. Geschmacklich gesehen ist sie der Sachertorte, dem original Wiener Schnitzel, dem Grünen Veltliner und sogar der Mozartkugel nicht ganz ebenbürtig, aber man soll ja kein Lästerer sein – zumal der Geschmack unbestritten einzigartig ist. 

Nicht zufällig ist Manner Österreichs größter Süßwarenproduzent und zudem ein echter Traditions- und Familienbetrieb. Zu sehen ist die Mannerschnitte nicht nur in ihr gewidmeten Läden mit hoher Touristenfrequenz, sondern auch in „Terminator III“ mit Arnold Schwarzenegger. Selbst gutsortierte US-amerikanische Supermärkte führen sie gelegentlich, und zwar in der internationalen Abteilung, in der das Backwerk für ganz Österreich stehen darf. 

In erstaunlich großen Mengen kaufen Touristen aus aller Welt die Schnitten aus Österreich. Besonders bei den zahlreichen Chinesen erfreuen sie sich höchster Beliebtheit. Ganze Gruppen stehen zunächst vor dem rosa Regal, als würden sie einem Schrein huldigen. Dann wird das meiste in Körbe und Einkaufswagen gelegt und daheim im Land der Mitte verschenkt und verzehrt.