© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/16 / 16. Dezember 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ihr könnt mich mal
Hinrich Rohbohm

Es war ein Affront. Obwohl der CDU-Bundesparteitag für einen Antrag der Jungen Union gegen die doppelte Staatsbürgerschaft votierte, stellte sich Merkel in aller Öffentlichkeit gegen den Beschluß. Ein Verhalten, das bei nicht wenigen Unionspolitikern für Empörung sorgt. 

„Ich kenne keinen Kreisvorsitzenden, der den Beschluß des eigenen Kreisparteitags anschließend als falsch bezeichnet“, beschwerte sich der Bundestagsabgeordnete Armin Schuster. „Es war wichtig, daß die CDU auf dem Parteitag wieder ihren programmatischen Kern freigelegt hat“, dadurch könne die Union am überzeugendsten belegen, daß es für eine bürgerliche und konservative AfD keinen Bedarf gebe. Mit dem hessischen Bundestagsabgeordneten Stefan Heck kündigte sogar ein CDU-Bundesvorstandsmitglied an, daß er sich dafür einsetzen werde, die Forderung an „zentraler Stelle im Wahlprogramm 2017“ auftauchen zu lassen. Und Schleswig-Holsteins Parteichef Daniel Günther betonte, daß der Beschluß sehr wohl „im Bundestagswahlkampf eine Rolle spielen“ werde. „Wir können nicht mit Verweis auf den Koalitionsvertrag achselzuckend sagen: Wir bleiben jetzt halt dabei“, äußerte sich CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer in der Welt kritisch.

Merkels Aussage, sie sehe jetzt nicht, „daß wir mit diesem Thema Wahlkampf machen“, heißt nichts anderes als: Die CDU kann mich mal. Unterstützung erfährt die Kanzlerin hingegen vom Parteilinken Armin Laschet. Wer glaube, er könne mit einem „Rechtsruck“ AfD-Wähler zurückgewinnen, befinde sich im Irrtum, meint der Rheinländer. Die Union müsse vielmehr die Sorgen der Mitte erkennen, Probleme lösen und an ihrem Markenkern des „C“ festhalten. 

Dabei stellt jedoch gerade die Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft eine Position dar, mit der die Christdemokraten wieder zu ihrem Markenkern zurückkehren. 

Bemerkenswert ist, daß der Antrag gegen den Willen der Kanzlerin mit 319 zu 300 Stimmen eine Mehrheit erhielt. Obwohl Merkel schwere Geschütze gegen den Antragsteller aufgefahren hatte. So stiegen mit CDU-Generalsekretär Peter Tauber und Bundesinnenminister Thomas de Maizière zwei Merkel-Vertraute in die Parteitagsdebatte, um den Antrag abzuschmettern. Mit Jens Spahn setzte sich jedoch auch ein Mitglied des Parteipräsidiums an die Spitze der Antragsbefürworter. „Natürlich muß man Kompromisse machen“, ging er auf das Argument der Merkel-Befürworter ein, daß sich die Große Koalition nun mal für die doppelte Staatsbürgerschaft ausgesprochen und im Koalitionsvertrag festgelegt habe. Der 36jährige erinnerte daran, daß die CDU durchaus ihren Willen formulieren und ihn sich nicht von der SPD aufzwingen lassen müsse.  Sehr zum Mißfallen der Kanzlerin, die sich den Finanz-Staatssekretär daraufhin  persönlich vorknöpfte. 

„Ihr müßt mir helfen“, hatte Merkel noch am Tag zuvor an die Delegierten appelliert. Um ihnen nach Beendigung des Parteitags und erfolgter Wiederwahl über die Medien mitzuteilen, wie sie mit derlei Beschlüssen umzugehen gedenke.