© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/16 / 09. Dezember 2016

Blitzkriege für die Wohlstandssphäre
Imperialismus für die Yamato-Rasse: 1941 und 1942 eroberte Japan weite Teile Ostasiens
Wolfgang Kaufmann

Weil die Bevölkerung Japans zwischen 1900 und 1935 von 44 auf 69 Millionen anwuchs, setzte sich in dem fernöstlichen Kaiserreich zunehmend die Auffassung durch, daß die hieraus resultierenden Probleme nur mittels einer Annexion rohstoffreicher Gebiete und potentiellen Siedlungslandes zu lösen seien. 

Vor diesem Hintergrund ist die Expansion auf dem asiatischen Festland zu sehen, die 1931 mit der Besetzung der Mandschurei begann und bald zu Konflikten mit den USA führte. Deren Schärfe nahm dabei deutlich zu, als die Japaner im August 1940 verkündeten, eine „Großostasiatische Wohlstandssphäre“ schaffen zu wollen, um Asien und die Asiaten vom westlichen Imperialismus beziehungsweise der „weißen Rasse“ zu „befreien“, und dann tatsächlich entsprechende Anstalten machten, nicht bloß ins Innere Chinas hinein, sondern zusätzlich auch noch nach Südostasien zu expandieren. Dort lagen die Kolonien der Briten, Franzosen und Holländer, welche angesichts der militärischen Situation in Europa als relativ leichte Beute erschienen.

Um das Kaiserreich in die Schranken zu weisen und zugleich das eigene Einflußgebiet im Bereich der Philippinen zu schützen, verhängten die Vereinigten Staaten am 25. Juli 1941 ein umfassendes Ölembargo über Japan, dem sich Großbritannien mitsamt der Dominions und Niederländisch-Indien anschlossen, was dazu führte, daß der Inselstaat nun von seinen Reserven leben mußte, die aber längstens zwei Jahre reichten. 

Hieraus resultierte der Entschluß der Regierung in Tokio, im Falle des Scheiterns der diplomatischen Gespräche mit den USA bezüglich einer Aufhebung des Embargos loszuschlagen, bevor der Treibstoffmangel großräumige Aktionen unmöglich machte. Und tatsächlich sorgte die schroffe Note des amerikanischen Außenministers Cordell Hull vom 26. November 1941 (JF 48/16) dafür, daß man in Japan jedwede Hoffnung auf eine gütliche Einigung verlor, womit der Weg in den Pazifischen Krieg programmiert war.

Die Erfolge ermutigten zu Feldzügen bis nach Burma

Dessen Entfesselung am 7. Dezember 1941 erfolgte gemäß der Maßgaben des japanischen Grundkriegsplans vom Vormonat. Der sah neben dem Präventivschlag gegen den Flottenstützpunkt der US Navy in Pearl Harbor auf Hawaii (Seite 19) die alsbaldige Eroberung von Britisch-Malaya und Hongkong, der Philippinen sowie der strategisch wichtigen Inseln Guam und Wake vor. Anschließend sollten im Rahmen einer zweiten Angriffswelle ab Januar 1942 Borneo, Sumatra, Java, Celebes, die Kleinen Sunda-Inseln, Niederländisch-Timor, der Bismarck-Archipel und Burma besetzt werden. 

Dafür bot das Kaiserreich seine Heeresgruppe Süd (Nampo-gun) unter dem Kommando von General Terauchi Hisaichi auf. Diese umfaßte fünf Armeen beziehungsweise elf Divisionen, neun Panzer-Regimenter und zwei Flieger-Divisionen mit 700 Maschinen. Dazu kam das Gros der japanischen Marine: Neben den Schlachtschiffen „Kongo“, „Haruna“, „Hiei“ und „Kirishima“ befanden sich die Flugzeugträger „Ryujo“, „Zuiho“, „Chitose“, Mizuho“, „Chiyoda“, „Akagi“, „Soryu“, „Hiryu“, „Kaga“, „Shokaku“ und „Zuikaku“ sowie um die 30 Leichte und Schwere Kreuzer, 70 Zerstörer, mehrere Dutzend U-Boote und diverse weitere schwimmende Einheiten im Einsatz, um die Landungsoperationen abzusichern. Ebenso wurden rund 1.600 Maschinen der Marine-Luftwaffe aufgeboten.

Aufgrund ihrer materiellen und personellen Überlegenheit erzielten die Japaner dann auch eine ganze Reihe von ebenso schnellen wie beeindruckenden Erfolgen. So konnte ihre 25. Armee schon am 11. Januar 1942 in Kuala Lumpur, der Hauptstadt von Britisch-Malaya, einrücken. Dem folgte am 15. Februar die Kapitulation der rund 85.000 britischen, indischen und australischen Verteidiger der angeblich uneinnehmbaren Festung Singapur gegenüber Generalleutnant Yamashita Tomoyuki. 

Ebenso gelang bis Ende Mai 1942 die vollständige Besetzung der Philippinen durch die 14. Armee, die von Generalleutnant Homma Masaharu befehligt wurde. Gleichermaßen erfolgreich operierte die 15. Armee unter Generalleutnant Iida Shojiro, die von Französisch-Indochina aus in Thailand einmarschierte und anschließend nach Burma vorstieß, wo sie am 29. April 1942 die höchst wichtige Gebirgsstraße zwischen Lashio und Kunming blockierte, über welche die Westalliierten ihren nationalchinesischen Verbündeten Chiang Kai-shek mit Kriegsmaterial für seinen Kampf gegen Japan und die Kommunisten belieferten.

Außerdem siegte die japanische Marine in der Seeschlacht in der Java-See. In deren Verlauf schickte der Deckungsverband der Invasionsflotte am 27. und 28. Februar 1942 zehn britische beziehungsweise holländische Kreuzer und Zerstörer auf Grund. Danach war der Weg frei für die Besetzung Niederländisch-Indiens durch die 16. Armee von Generalleutnant Imamura Hitoshi; am 8. März streckten die Kolonialstreitkräfte auch hier die Waffen. Damit hatte sich Japan nun den ersehnten Zugang zu den Erdölfeldern von Borneo, Sumatra und Java erkämpft.

Geplante Erweiterung der Sphäre bis nach Kleinasien

Mit den Vorstößen von Ende 1941 und Anfang 1942 war der japanische Appetit auf fremde Territorien und Bodenschätze indes noch lange nicht gestillt. Das belegt unter anderem der spätere Angriff auf Britisch-Indien im Jahre 1944 von Burma aus. Darüber hinaus erfuhr aber auch die Idee der „Großostasiatischen Wohlstandssphäre“ permanente Modifizierungen, wobei sich die Außengrenzen des geplanten Herrschaftsgebietes der angeblich gottgleichen „Yamato-Rasse“ im Laufe der Zeit immer weiter nach Süden und Westen vorschoben. 

Das eindrucksvollste Beispiel hierfür sind die überaus megalomanen Planungen der Bevölkerungs- und Rassenabteilung des Ministeriums für Gesundheit und Soziales, in denen von einer Erweiterung der Sphäre bis tief hinein nach Zentralasien und Mesopotamien sowie Kleinasien die Rede ist. Allerdings sorgte der „schlafende Riese“ USA, der durch den Angriff auf Pearl Harbor geweckt worden war, ebenso wie die Briten und Chinesen dafür, daß diese Wunschträume letztendlich nicht in Erfüllung gingen. Hingegen blieb die Sowjetunion genau bis zu dem Moment des Sommers 1945 passiv, in dem sie die Chance sah, ohne große Mühe in der Mandschurei einzumarschieren.