© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/16 / 09. Dezember 2016

Wenn Übersetzer Geschichte manipulieren: Erika Härtl Coccolinis Prager Rückschau
Lücken im Tschechischen
(sld)

Im Jahre 2008 veröffentlichte Erika Härtl Coccolini ihr Buch „Prag Cáslavská 15 – Ein Streifzug durch ereignisreiche Zeiten“. Es handelt sich dabei um ihre Biographie, in der die Autorin, die 1937 in Prag geboren wurde, Auskunft über die traumatischen Erlebnisse ihrer Kindheit gab, an den Prager Aufstand im Mai 1945 mit den Gewaltexzessen gegen die deutsche Bevölkerung, an ihre Zeit im Lager Hagibor und die Rettung durch Premysl Pitter. Härtl Coccolinis Werk reihte sich in einen geschichtskritischen Kontext ein, in dem die dunklen Flecken der tschechischen Nachkriegsvergangenheit aufgearbeit werden. Ausgerechnet der zur Bertelsmann-Gruppe gehörende Verlag Vydala Euromedia Group ist dabei in seiner tschechischen Übersetzung des Buches im vergangen Jahr einen Schritt zurückgegangen. Da der tschechische Übersetzer Milan Kourimský nicht wortwörtlich übersetzte, sondern eigenmächtig umfangreiche Streichungen vornahm und Erklärungen in Fußnoten dazu gab und somit den Text manipulierte, werden zentrale Aussagen des Buches unterschlagen. Das ist insofern pikant, weil Kourimský als Vertreter der kommunistischen Prager Betonkopfära gelten darf, der schon Ende der sechziger Jahre Schriften von Karl Marx über das Militär ins Tschechische übersetzte und überdies 2002 bei den „Erinnerungen eines alten Österreichers“ von Fürst Clary-Aldringen in ähnlicher Weise vorging, indem er historisch „unpassende“ Kapitel einfach in seiner Übersetzung überging.