© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/16 / 09. Dezember 2016

Aus der Zeit gefallen
Monographie: Der Maler Ernst Lewinger
Thorsten Hinz

Der Dresdner Maler und Grafiker Ernst Lewinger, der im Dezember 2015 84jährig starb, war keine bekannte Größe des Kulturbetriebs, doch hatte er zahlreiche Anhänger und Bewunderer. Er war in der DDR vor allem als Buchillustrator bekannt geworden. Unter anderem hatte er Werke von Mörike, Fontane, E.T.A. Hoffmann und vom dänischen Autor Jens Peter Jacobsen ausgestattet, einen Impressionisten der Sprache. Das entsprach seinem feinnervigen Stil, den sanfte, pastellartige Farben und zarte, gestrichelte Umrisse kennzeichneten. „Mondsüchtig“ nannte das ein übellauniger Kritiker. Tatsächlich fielen seine Landschafts- und Stadtansichten, Szenen und Interieurs, in denen man immer wieder Motive von Caspar David Friedrich erkennt, aus der Zeit.

Der Maler und Publizist Sebastian Hennig hat diesem Künstler einen Großessay gewidmet, der in einem schön gebundenen, mit über hundert Abbildungen ausgestatteten Buch erschienen ist. Es handelt neben dem Werk von einer stillen Künstlerexistenz und einem souveränen Lebensentwurf als letztem Ausläufer des „österreichisch-sächsischen Fin de siècle“. Lewingers

familiäre Wurzeln reichen teilweise in das jüdische Großbürgertums Wiens zurück; der Großvater war der letzte Oberregisseur des Königlichen Hoftheaters in Dresden. Der Reichtum der Familie schmolz durch Inflation und Wirtschaftskrisen dahin, die materiellen Überbleibsel wurden in den Bombennächten 1945 vernichtet. Obwohl Lewinger, Jahrgang 1931, in West-Berlin studierte und seine Schwester dort lebte, entschloß er sich zum Verbleib in Dresden, wo sich ein Netz von Unterstützern, Sammlern, Gleichgesinnten bildete, das ihn „in Verbundenheit“ schweben ließ. 

Lewinger erscheint als ein beispielhafter Künstler, der sich weder einer politischen Mode beugte, noch einen ästhetischen Widerstand inszenierte; der nur ein „Autor seiner Werke“ sein wollte und mit dieser Haltung in der DDR politisch, in der Bundesrepublik ökonomisch ins Abseits geriet. Möge die künstlerische Substanz sich als beständiger erweisen als alle Moden und Konjunkturen.

Sebastian Hennig: Ernst Lewinger. In Verbundenheit schwebend 1931–2015, Arnshaugk, Neustadt an der Orla 2016, gebunden, 211 Seiten, 36 Euro