© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/16 / 09. Dezember 2016

Dorn im Auge
Christian Dorn


Vor einigen Wochen besuchte ich im Kino eine exklusive Vorführung des neuen Konzertfilms „Havana Moon“ der Rolling Stones, der deren ersten Auftritt in Kuba im März 2016 dokumentiert. Schon da wirkt das ohne Eintritt veranstaltete und als „Freundschaftskonzert“ deklarierte Ereignis als lebensfrohes Vorspiel zum Tod des Máximo Líder, wie der Auftakt zum nahenden Ende des Kommunismus, nicht nur beim Song „Paint It Black“ und dessen erster Zeile: „I see a red door and I want it painted black.“ Trotz kurzfristiger Ankündigung ist auch der Kinosaal bis auf den letzten Platz besetzt. Unwillkürlich stehen mir immer wieder Tränen in den Augen – ist es doch zugleich eine Zeitreise. Die Kamera fängt zahllose Gesichter ein, in denen sich Glück und Sehnsucht spiegeln wie auch Spuren jahrzehntelanger Entbehrung. Mick Jagger, der sein Glaubensbekenntnis („It’s only Rock’n’Roll, but I like it“) vorträgt, erklärt den über einer Million Konzertbesuchern in einfachen Worten, doch geschichtsmächtig: „We know that years ago, it was difficult to listen to our music in Cuba, but now here we are (...) I think that, finally, the times are changing. That’s true, no?“ Wie zum Beweis stellt er seine Mitstreiter vor: „Revolutionary Ronnie Wood“, „Charlie Che Watts“ und „mi compadre Keith Richards“.


Auf der Bühne erscheinen die Musiker der Rolling Stones zu Beginn des Konzertes noch wie schwerfällige Dinosaurier, doch unversehens wandeln sie sich zu eleganten Raubkatzen, zuvörderst der schlanke Mick Jagger, der mit seinen 73 Jahren athletisch über die Bühne sprintet und tänzelt, daß selbst Usain Bolt oder Carl Lewis alt dagegen aussehen. Gewitzt erscheint am Ende die Zugabe: Zunächst – wie nach Trumps Wahlsieg (da freilich ohne den Segen seiner Schöpfer) – der Song „You Can’t Always Get What You Want“, zum Schluß „(I Can’t Get No) Satisfaction“, gerade so, als würde die Zeit zurückgespult.


Dabei ist dieser Vorgang längst nicht mehr analog, sondern digital, jedenfalls auf der jetzt erschienenen DVD, in der es zu Recht heißt, die Stones seien zwar nicht die ersten ausländischen Musikstars in Kuba gewesen, doch jene, die „die Geschichte und die Zeit auf ihrer Seite hatten“ – wie könnte es auch anders sein: „Time is on my side“. Unklar bleibt freilich die Altersfreigabe auf dem DVD-Cover: Während für das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ ein „PG“-Zeichen warnt („Contains mild bad language, mild sex references, drugs references, nudity“), gilt in Deutschland die unterste Stufe „FSK ab O“.