© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/16 / 09. Dezember 2016

Washingtons langer Arm reicht bis zu uns
Wirtschaftsrecht: Präsidentenverfügung untersagt Verkauf des US-Geschäfts von Aixtron an Chinesen
Thomas Fasbender

Für die 750 Mitarbeiter des defizitären Spezialanlagenbauers Aixtron wird das Weihnachtsfest gelaufen sein. Eingebrockt hat ihnen das einmal SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der schon im Oktober in vorauseilendem Gehorsam seine Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Aixtron-Verkauf an den chinesischen Investor Fujian Grand Chip Investment (FGC) zurückzog (JF 44/16).

Am 2. Dezember senkte erwartungsgemäß auch der scheidende US-Präsident Barack Obama mittels einer Presidential Order seinen Daumen: Der FGC-Tochter Grand Chip Investment GmbH (GCI) oder ihren direkten oder indirekten Gesellschaftern oder Mitgesellschaftern werde untersagt, das US-Geschäft der Aixtron SE zu erwerben.

Der US-Präsident hat Sanktionen angedroht

Laut der Präsidentenverfügung umfasse dies nicht nur die Tochtergesellschaft Aixtron Inc., sondern auch „jedweden Vermögensgegenstand von Aixtron, der im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung der Aixtron Inc. auf dem US-amerikanischen Binnenmarkt genutzt wird oder zu diesem Zweck oder zu diesen Gunsten im Eigentum von Aixtron steht, einschließlich US-Patenten und Patentanmeldungen“, teilte die Aixtron-Pressestelle in Herzogenrath nördlich von Aachen mit.

Obamas Veto hat den deutsch-chinesischen Kaufvertrag nicht direkt verboten, das könnte nur Wirtschaftsminister Gabriel. Der US-Präsident hat lediglich für den Fall der Fälle Sanktionen angeordnet. Ihm genügt, daß eine Transaktion, auch wenn sie außerhalb der US-Jurisdiktion stattfindet, US-Interessen – oder wie Wirtschaftskommentatoren mutmaßen die Interessen von US-Wettbewerbern – berührt.

Wer sich nicht an US-Sanktionen hält, hat schlechte Karten. Das spürten beispielsweise zwei frühere Manager des Außenhandelsfinanzierers Deutsche Forfait und der Commerzbank, die kürzlich ihren Fall gegenüber der FAZ und dem ARD-Magazin „Panorama“ ausführlich schilderten. Beiden wurde vom US-Finanzministerium vorgeworfen, mit ihrer Geschäftstätigkeit gegen das Iran-Embargo verstoßen zu haben. Der Forfait-Mitarbeiter landet sogar auf der US-Liste der Terrorfinanzierer. „Das US-amerikanische Recht gilt nicht in der EU, und es gilt nicht unmittelbar in Deutschland. Aber es wirkt“, zitierte die FAZ den Wirtschaftsrechtler Winfried Huck von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel.

Rechtsstaatliche Prinzipien spielen bei der Durchsetzung von US-Interessen eine Nebenrolle; entlang der Vertikale der Macht wird senkrecht durchregiert. Die mögliche Sanktionsliste beginnt mit drakonischen Bußgeldern und steigert sich bis zur De-facto-Enteignung in Form von Zwangsverwaltung von Tochtergesellschaften auf US-Territorium, von US-Patenten und Firmengeld auf US-Konten. Selbst das längst darbende kommunistische Kuba wurde noch 1996 durch den Helms-Burton Act – initiiert durch die Republikaner Jesse Helms und Dan Burton, unterschrieben vom demokratischen Präsidenten Bill Clinton – unter verschärfte Kuratel gestellt.

Entscheidend ist bis heute das 1975 gegründete Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS). In den Achtzigern verschärfte der Kongreß die Bestimmungen; seither kann der Präsident auf CFIUS-Empfehlung sogar die Rückabwicklung bereits vollzogener Auslandsinvestitionen anordnen. 2007 hat der Foreign Investment and National Security Act (Finsa) noch wesentlich weitreichendere Eingriffsmöglichkeiten geschaffen. Finsa legt insbesondere fest, daß CFIUS sämtliche Investitionsprojekte untersuchen muß, wenn der ausländische Investor, ungeachtet seiner Geschäftstätigkeit, im Besitz einer fremden Regierung ist oder von ihr kontrolliert wird.

Gemessen am Gesamtvolumen der weltweiten Übernahmen greift CFIUS selten ein – aber wenn, wie Aixtron zeigt, dann mit aller Härte. Meist stehen Übernahmen durch chinesische Rivalen im Mittelpunkt. So verweigerte CFIUS dem IT-Konzern Huawei (JF 43/13)die Akquisition der US-Firmen 3com (Netzwerke) und 3Leaf (Servertechnologie). Im Januar wurde der Verkauf der Philips Lumileds an den chinesischen Finanzinvestor GO Scale verhindert.

Trump setzt auf den Schutz amerikanischer Arbeitsplätze

Ausschlaggebend für das Verbot der Aixtron-Übernahme soll der mögliche militärische Einsatz von Galliumnitrit-Halbleitern sein, die auf Aixtron-Anlagen produziert werden können. Dabei hat Aixtron seit der Unternehmensgründung 1983 über 3.000 solcher Anlagen in die ganze Welt verkauft, unter anderem nach Südkorea, Taiwan und China. Wieso deren Export plötzlich militärisch brisant sein solle, sei nicht nachvollziehbar, heißt es in Branchenkreisen. Gemutmaßt wird, die USA wollten schlicht den von China angestrebten vertikal integrierten Aufbau der LED-Schlüsseltechnologie verhindern.

Ob CFIUS oder der Iran Sanctions Act, der Emergency Economic Powers Act oder der Trading with the Enemy Act – wenn es um die Durchsetzung politischer Interessen mit den Mitteln des Wirtschaftskriegs geht, spielen alle US-Präsidenten und Politiker Powerplay. In Maßen relativiert wurde das Instrument bislang nur durch das Bekenntnis zum Freihandel. Um so intensiver wird spekuliert, welche Entwicklung der Einsatz von Sanktionen unter einem Präsidenten Donald Trump nehmen wird. Wird künftig auch der Schutz amerikanischer Arbeitsplätze – und nicht nur die Bestrafung politischen Fehlverhaltens – als Grund herhalten? Es ist durchaus denkbar, daß Sanktionen gegen US-Firmen verhängt werden, die über Gebühr viele Arbeitsplätze im Ausland unterhalten.

Nach einer Phase exzessiver Globalisierung schlägt das Pendel jetzt in die andere Richtung aus. Protektionistische Sanktionen rücken gleichberechtigt an die Seite politisch motivierter Maßnahmen. Das birgt Sprengstoff im Verhältnis der USA zur EU. Trump scheint China als Rivalen Nummer eins und den Iran als Störenfried Nummer eins anzusehen. Rußland könnte in den Hintergrund rücken. Letzteres hofft auch der Ost-Ausschuß der Deutschen Wirtschaft, der auf ein Ende der Sanktionen will.

In der Kombination aus Wirtschafts-, Informations- und Stellvertreterkriegen, die das Verhältnis der Machtrivalen bis zur Herausbildung eines neuen, stabileren Duopols – China und USA – vorerst prägen, gewinnen Strafmaßnahmen und Sanktionen weiter an Bedeutung. Die Vorgänge um Aixtron und Philips Lumileds beweisen, daß die Weltmächte auf ihre Juniorpartner keine Rücksicht nehmen. Im Gegenteil: Mit dem Beginn der Ära Trump wird das Spiel neu gemischt. Die kommenden Jahre werden zeigen, daß der darwinistische Charakter der Politik – großer Fisch frißt kleinen Fisch – im 21. Jahrhundert ebenso prägend ist wie in allen Jahrhunderten zuvor.

Presidential Order – Regarding the Proposed Acquisition of a Controlling Interest in Aixtron SE by Grand Chip Investment GmbH:  www.whitehouse.gov

Ad Hoc Mitteilungen der Aixtron SE:  www.aixtron.com