© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/16 / 09. Dezember 2016

Regieren unterm Regenbogen
Rot-Rot-Grün: Berlin hat endlich einen neuen Senat – und der beginnt mit reichlich Symbolpolitik für Sparteninteressen
Ronald Berthold

Als Dirk Behrendt den Preußischen Landtag betrat, mußte er angewidert erleben, wie sich dort bereits Polizeischüler aufhielten. Sie informierten sich über den Parlamentsbetrieb. Der Grünen-Politiker forderte per Twitter aufgeregt eine Rechtfertigung für dieses störende Bild: „Komme ich zur Plenarsitzung, ist das Foyer voll mit Uniformierten. Was soll das, Herr Präsident?“ Keine zwei Monate nach dieser vielsagenden Beschwerde bekleidet der bekennende Homosexuelle ab diesem Donnerstag das Amt des Berliner Justizsenators.

Dessen Behörde wiederum ermittelt seit einer Woche gegen den Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning. Den engsten Mitarbeiter des Regierenden Bürgermeisters, Michael Müller (beide SPD), halten die Ankläger der Vorteilsnahme im Amt für verdächtig. Er soll in Sachen Flüchtlingsunterbringung mit der Unternehmensberatung McKinsey gemauschelt haben. Inwieweit Behrendt hier in die Untersuchungen der Strafverfolger eingreifen wird, ist noch unklar. Vorgänger Thomas Heilmann (CDU) hatte auf seine Weisungsbefugnis verzichtet. 

Doch unter Rot-Rot-Grün soll nun alles anders werden. Das jedenfalls haben sich die Politiker für die neue Legislaturperiode vorgenommen. Sie lösen das rot-schwarze Bündnis ab, das bei den Wahlen im September die Mehrheit verloren hatte.

Die Aversionen gegen die Polizei und die Ermittlungen gegen den zweitwichtigsten Mann im Roten Rathaus sind symptomatisch für den Start des Linksbündnisses, das das hochverschuldete Berlin aus der Krise führen soll. Die völlig überforderte Verwaltung, die kaum imstande ist, Termine für Personalausweisverlängerungen zu vergeben, müßte auf Vordermann gebracht werden. Das verlangen die meisten Berliner. Doch Rot-Rot-Grün macht vor allem durch die Ankündigung von Symbolpolitik auf sich aufmerksam. Der Individualverkehr soll stark behindert und Homosexualität zum Markenzeichen der Stadt werden. 

Daß der weltberühmte Boulevard Unter den Linden erstmals seit Erfindung der Pferdekutsche für den privaten Verkehr gesperrt werden soll, ist dabei nur das, was bundesweit Aufsehen erregt. Vielfach war von einer Fußgängerzone die Rede, doch dies ist falsch. Denn Busse, Taxen, Politiker und Diplomaten dürfen die Fahrbahn weiterhin mit dem Auto benutzen. Noch symbolträchtiger: Flächendeckendes Tempo 30 auf fast allen Hauptstraßen haben sich die Koalitionspolitiker zum Ziel gesetzt. Gleichzeitig soll die Zahl der festen Blitzanlagen massiv erhöht werden.

Selbst der der neuen Regierung nahestehende Tagesspiegel warnt nun, „der Senat darf sich nicht in rot-rot-grünem Schnickschnack verlieren“. Doch genau danach sieht es aus. Berlin soll – so steht es im Koalitionsvertrag – „Regenbogenhauptstadt“ werden. Auf vier Seiten stellen die Parteien dar, was sie alles für Schwule, Lesben, Transgenders und sonstige Nicht-Heterosexuelle tun möchten. Mit Steuergeldern soll die „sexuelle Vielfalt in Schulen“ gefördert und die angebliche „Homophobie im Fußball“ bekämpft werden. Demnächst wird es Jugendzentren und Wohnhäuser nur für sogenannte „queere Menschen“ geben.

Mit gutem Beispiel geht der Senat voran. Daß neben Dirk Behrendt mit dem Linken-Politiker Klaus Lederer ein weiterer Schwuler Senator wird, ist nur zum Teil deren Kompetenz geschuldet. Es soll auch ein Zeichen sein – genau wie Gelder zur Fertigstellung eines Denkmals für den Homosexuellen-Vorkämpfer Magnus Hirschfeld.

Während die SPD-Senatoren im Amt bleiben, geht es vor allem Grünen und Linken darum, alle Facetten einer linken Nischenwelt abzubilden. So wurde der designierte Verkehrssenator und bisherige Pankower Stadtrat Jens-Holger Kirchner auf den letzten Metern noch ausgebootet. Dies soll mit seiner Hautfarbe und sexuellen Neigung zu tun haben, wie der Tagesspiegel mutmaßt: „Ein weißer, pragmatischer Hetero – das ging gar nicht.“

Stattdessen bekam Regine Günther den Job. Sie hat zwar null Verwaltungserfahrung und mit Verkehrspolitik sowie -planung bisher höchstens indirekt zu tun. Aber sie verfügt über andere Qualitäten: Seit 1999 arbeitet die 54jährige als Klimaexpertin für den Umweltverband WWF. Dazu erfüllt sie anders als Kirchner das Kriterium „Frau“. Daß der Berliner Straßenverkehr nun völlig unter das Diktat des Klimaschutzes fällt, ist beabsichtigt, und die Hauptstadtjournalisten begrüßen dies als weiteres „Zeichen“. Die Berliner Autofahrer allerdings befürchten Schlimmstes.

Empörung über               linksextreme Wagenburg 

Auch die Pläne, Arabisch, Kurdisch und Türkisch als Schul- und sogar Abi-turfächer einzuführen, gehören zur neuen Politik des Senates, der sich vor allem zum Anwalt von Minderheiten machen möchte. 

Eines der mit viel Wohlwollen begleiteten Projekte ist die linksextremistische Wagenburg „Köpi“. Von dort geht immer wieder Gewalt gegen Polizisten aus. Als auf dem weitläufigen aber hermetisch abgeriegelten Gelände vergangene Woche eine 27jährige Frau starb, mußten Polizeibeamte und Rettungskräfte zunächst mit den Bewohnern verhandeln, ob sie auf das Gelände dürften. Die Empörung der Gewerkschaft der Polizei darüber wiesen Politiker der neuen Regierungskoalition als unbegründet zurück. 

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