© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

Sie kassieren bis zu 30 Prozent Provision
Kunsthandel: Die Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s blicken auf eine lange traditionsreiche Geschichte zurück / Heute herrscht Verunsicherung
Wolfgang Kaufmann

Auktionen haben eine sehr lange Tradition. So berichtete bereits der griechische Historiker und Geograph Herodot im 5. Jahrhundert v. Chr., daß man in Mesopotamien heiratswillige Frauen versteigere. Später gaben sich vor allem die Römer dieser Beschäftigung hin – das Wort „Auktion“ entstammt nicht umsonst dem lateinischen „auctio“ („Vermehrung“). Dabei kam im Imperium Romanum zumeist Kriegsbeute unter den Hammer. Doch einmal, nämlich 193 n. Chr., wurde auch die Kaiserkrone an den Meistbietenden verschachert: Nachdem die Prätorianer den wegen seines Geizes verhaßten Pertinax beseitigt hatten, erhielt Konsul Didius Julianus, der 300 Millionen Sesterzen aufbringen konnte, den Zuschlag.

Schweine, Hühner, Bettwäsche und Nachttöpfe

Versteigerungen von Kunstwerken fanden hingegen erst in der Frühen Neuzeit mit einiger Regelmäßigkeit statt. Vorreiter waren hier die beiden Londoner Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s. Dabei stieg der Sotheby’s- Gründer Samuel Baker zwar eher ins Geschäft ein, brachte aber ab 1744 zunächst nur seltene Handschriften und Bücher, darunter die aus der Sammlung von Sir John Stanley of Alderley, an den Mann.

Demgegenüber versteigerte James Christie von Anfang an auch Kunstobjekte. Allerdings fiel der Einstand des geschäftstüchtigen Schotten in den Tagen vom 5. bis zum 9. Dezember 1766 noch recht bescheiden aus: Damals befanden sich keineswegs nur Statuen und Bilder im Angebot, sondern auch Schweine, Hühner, Dung, Bettwäsche und zwei gebrauchte Nachttöpfe aus dem Haushalt einer „hochstehenden Person“. Anschließend setzte Christie, der in der noblen Pall Mall in der City of Westminster residierte, dann freilich immer konsequenter auf hochwertige Kunst, wobei ihm seine guten Beziehungen zu adligen Kreisen sowie diversen Malern wie dem zunehmend nachgefragten Thomas Gainsborough zupasse kamen. Hierdurch stiegen die Erlöse pro Auktion bei Christie’s zwischen März 1767 und Ende 1795 von 244 auf 10.319 Pfund. Ein besonderer Coup während dieser Zeit war der Verkauf der Gemäldesammlung von Robert Walpole, dem ersten Premierminister Großbritanniens, an Katharina II. von Rußland.

Das Beispiel Christies sowie seines Rivalen Baker von Sotheby’s (diesen Namen erhielt das Auktionshaus 1778, als der Neffe des Gründers namens John Sotheby in das Unternehmen eintrat), sollte bald europaweit Schule machen, insonderheit weil die politischen Verhältnisse sehr zum Aufschwung des Kunsthandels beitrugen: In Deutschland setzte dieser beispielsweise genau in dem Moment ein, als nach dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803 die Auflösung der geistlichen Fürstentümer sowie die Beschlagnahme und Veräußerung kirchlichen Eigentums begann. Dennoch konnten sich Christie’s und Sotheby’s an der Spitze der Branche halten und im globalen Maßstab expandieren.

Spektakuläre Erlöse mit Gemälden und Skulpturen

Heute wird Christie’s von der Französin Patricia Barbizet (61) geführt, der US-Amerikaner Thomas „Tad“ Smith (51) leitet die Geschäfte von Sotheby’s. Derzeit sind beide Häuser sowohl in London als auch in New York, Genf, Paris, Mailand, Hongkong und weiteren Metropolen der Welt vertreten. Und was wechselte da nicht schon alles per Hammerschlag den Besitzer: der Wagenpark des Popstars Elton John, Audrey Hepburns Kleines Schwarzes aus dem Film „Frühstück bei Tiffany“, der Bikini, den Ursula Andress 1962 in dem James-Bond-Streifen „007 jagt Dr. No“ trug, ein Spitfire-Jagdflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg, Peles Fußballtrikot und Einsteins Lederjacke, das ferngesteuerte sowjetische Mondmobil „Lunochod 2“, das seit 1973 defekt auf dem Erdtrabanten steht, der 14-karätige blaue Oppenheimer-Diamant (Preis: 56,8 Millionen Schweizer Franken!), George Washingtons Entwurf der „Bill of Rights“, der Archimedes-Palimpsest aus dem 10. Jahrhundert mit der einzigen erhaltenen Kopie von „Über schwimmende Körper“ sowie der Codex Leicester, eine Sammlung von Notizen und Skizzen Leonardo da Vincis, die der Microsoft-Gründer Bill Gates 1994 für 30,8 Millionen US-Dollar erwarb.

Die spektakulärsten Erlöse erzielten Christie’s und Sotheby’s indes mit Gemälden und Skulpturen wie der teuersten jemals versteigerten Plastik, nämlich „L’homme au doigt“ von Alberto Giacometti – der Zuschlag erfolgte hier bei 141,3 Millionen Dollar. Unmittelbar zuvor hatten auf der gleichen Auktion am 11. Mai 2015 in den New Yorker Geschäftsräumen von Christie’s Beauftragte des früheren Premierministers von Katar, Scheich Jaber Al Thani, sagenhafte 179,4 Millionen Dollar für Pablo Picassos „Les femmes d’Alger“ geboten, wodurch das 114 mal 146 Zentimeter große Ölbild mit einer knallbunten Harems-Szene zum absoluten Preis-Rekordhalter aller Zeiten avancierte.

Auf dem zweiten Platz der teuersten Versteigerungen folgt Amedeo Modiglianis Akt „Nu couché“, der im November 2015 in der Herbstauktion von Christie’s New Yorker Niederlassung für 170,4 Millionen Dollar an das Shanghaier Long-Museum ging. Mit Abstand den dritten Rang belegt das Triptychon „Three Studies of Lucian Freud“ des irischen Malers Francis Bacon, das im November 2013 ebenfalls bei Christie’s für 142,4 Millionen Dollar versteigert wurde.

Angebote blieben deutlich unter dem Schätzpreis

Angesichts solcher Summen müßte man annehmen, daß die Auktionshäuser, welche bis zu dreißig Prozent des Zuschlagpreises als Provision kassieren, wirtschaftlich extrem gut dastehen. Doch weit gefehlt! So fiel der Kurs der Aktie von Sotheby’s zwischen Juni 2015 und Februar 2016 von 46,7 auf 20,3 Dollar und kletterte seitdem nur mühsam wieder auf derzeit aktuell 38,5 Dollar. Der Grund hierfür ist die angespannte wirtschaftliche Lage in Ländern wie Rußland und China, aber auch den arabischen Staaten, die dafür sorgt, daß die dortigen Superreichen weniger in Kunst investieren. Deshalb gab es in letzter Zeit einige schmerzhafte Enttäuschungen, wie bei der Auktion von impressionistischen und zeitgenössischen Werken durch Sotheby’s zu Anfang dieses Jahres: 15 der 53 angebotenen Gemälde wurden überhaupt nicht veräußert und 23 weitere blieben zum Teil recht deutlich unter dem Schätzpreis. Das betraf sogar das ebenfalls sehr bekannte Picasso-Bild „Tête de femme“ aus dem Jahre 1935. Dieses brachte dem Verkäufer, welcher 2013 fast 40 Millionen US-Dollar für das Porträt hatte hinblättern müssen, nur magere 27,6 Millionen, wovon dann auch noch die Provision für Sotheby’s abging.

Angesichts dessen herrscht jetzt erhebliche Verunsicherung in den Auktionshäusern sowie bei Sammlern und Anlegern: Werden die Preise für Kunstwerke bald wieder anziehen oder noch weiter in den Keller fallen?

 www.christies.com

 www.sothebys.com