© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

Egerländer Leuchtturm
Nachruf II: Herbert Fleissner engagierte sich für vertriebene Landsleute
Gernot Facius

Echte Verleger, die mit ihrer ganzen Persönlichkeit (und ihrem Vermögen) für das Unternehmen einstehen, sind rar geworden. Es dominieren Manager die Branche, kalte Zahlenmenschen. Herbert Fleissner zählte noch zu den Verlegern alten Schlages. Sein Lebenswerk war ein „Leuchtturm inmitten der trüben Fluten eines geistlosen und freiheitsfeindlichen Ultraliberalismus“, würdigte der Autor Rolf Stolz Fleissner zum 75. Geburtstag am 2. Juni 2003.

Herbert Fleissner ist auch in den folgenden Jahren dieser Leuchtturm geblieben, die Anfeindungen von linker Seite hat der Egerländer nicht so einfach weggesteckt, aber er hat sich in seinem Engagement für Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt nicht beirren lassen – ungeachtet aller „Stoppt Fleissner“-Kampagnen, etwa von der Zeit. Ihn so einfach als „rechten“ Verleger zu bezeichnen, würde zu kurz greifen. In kaum einem deutschen Verlagsprogramm war soviel Liberalität zu spüren wie bei

Fleissner. Dafür stehen unter anderem Namen wie Willy Brandt, Rolf Hochhuth, Joachim Fernau, Gerhard Konzelmann, Nahum Goldmann, Simon Wiesenthal, Norman Mailer und natürlich der begnadete Satiriker Ephraim Kishon.

Von Kishon stammte auch die Beobachtung, „eine gute Fee“ habe Fleissner „mit dem Geschenk ewiger Jugend und einigen anderen bemerkenswerten Gaben bedacht: mit einem wachen Verstand, der Zunge des geborenen Redners und einer nadelspitzen Nase. (…) In gewisser Weise war ich anfangs etwas skeptisch. Er zeigte einen so gesunden Sinn für Humor, daß ich mich fragte, ob ich da wirklich einen waschechten Verleger vor mir hatte.“

Daran gab es natürlich keinen Zweifel. Herbert Fleissner war keiner, der dem Zeitgeist opportunistisch hinterherlief. Er blieb seinen Grundsätzen treu – gegen alle Widerstände und Versuche der Diffamierung. Das, sagte er freimütig, lohne sich auch wirtschaftlich: „Wer dient, wird auch verdienen.“ Sein verlegerisches Motto: „Wer vieles bringt, kann manchen etwas bringen.“

Als junger Mann – nach einem juristischen Studium in Innsbruck und Promotion – kam der Egerländer 1952 nach München, wo er einen Buchversand und einen literarischen Verlag gründete – mit Titeln heimatvertriebener Autoren. Durch den Zuerwerb des Wiener Amalthea Verlags, des Berliner Herbig Verlags und des Verlags Langen Müller in München entstand 1966 eine Verlagsgruppe, die zu den großen in Deutschland wurde.

Er glaubte nicht an das Paradies auf Erden

Im Gespräch mit der JF schilderte er 2004 die schwierige Ausgangslage für ihn als Verleger: „Das war vor fünfzig Jahren noch schlimmer als heute, denn damals beherrschte die Frankfurter Schule den Diskurs. Es gelang ihr, eine ganze Generation auf gänzlich neue – wie mir erscheint: absurde – Werte einzuschwören. Die Folge war ein literarisches Monopol: Literatur mußte plötzlich ‘gesellschaftspolitisch relevant’ sein, oder sie hatte keine Chance bei Verlegern und Kritik. Ein Buch war entweder ‘links’ oder es existierte gar nicht. Vor allem der Suhrkamp-Verlag hat versucht, Literatur-Ideologie an den Mann zu bringen. Doch kam die Zeit, da haben die Leute das nicht mehr vorbehaltlos akzeptiert.“

Von 1984 bis 1995 war Fleissner alleiniger Geschäftsführer und Verleger auch der Buchverlage Ullstein und Propyläen in Berlin, in Zusammenarbeit mit dem Haus Axel Springer. „In dieser Dekade hatte Ullstein immer positive  Ergebnisse“, darauf legte Fleissner wert. Von einer „modernen Art der Bücherverbrennung“ sprach er, als dort 1996 unliebsame Mitarbeiter gekündigt und Autoren vertrieben wurden.

Im Jahr 2001 wurde der Wiener Signum-Verlag erworben und unter der Neugründung Amalthea Signum GmbH in Wien und München weitergeführt. 2004 übergab Fleissner die Geschäftsführung der Münchner Buchverlage an seine Tochter Brigitte Fleissner-Mikorey. Die Verlagsgruppe unterhält Firmensitze in München, Stuttgart, Wien und Luzern. Er, der einst seine Heimat hatte verlassen müssen, empfand es stets als moralische Pflicht, sich für seine vertriebenen Landsleute zu engagieren, unter anderem zeitweise als stellvertretender Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft, die ihm 1994 ihren Großen Kulturpreis verlieh.

Man sah ihn noch vor wenigen Jahren, vom Alter gezeichnet, auf Sudetendeutschen Tagen. Und er erhob in den Gremien der Landsmannschaft und auch darüber hinaus seine Stimme gegen alle Versuche, diese große Vertriebenenorganisation von Kernforderungen (Recht auf Heimat und Entschädigung) zu entleeren und einen Kurs politischer Anpassung zu wählen. In Telefonaten und Schreiben hat er Freunde gemahnt und gewarnt. Nicht überall wurde er gehört, auch nicht in „seiner“ CSU.

Als Konservativer glaubte Fleissner nicht an das Paradies auf Erden, er verhehlte deshalb nicht sein Mißtrauen gegenüber angeblich perfekten politischen Programmen, die von einer absoluten „Wahrheit“ ausgehen. „Bei ihm ist konservatives Denken in einer von dialektischen Strukturen gezeichneten Welt eine notwendige Weise des Denkens zwischen Revolution und Reaktion, Freiheit und Ordnung, Individuum und Staat“, urteilte Joachim Schäfer, einer seiner Autoren, schon vor Jahren in der JF. Und andere bekannten: Ohne die Verlegerpersönlichkeit Herbert Fleissner wäre die Verlustliste der Meinungsfreiheit in Deutschland noch umfassender, als es heute bereits ist.

Fleissner lebte in München und Südtirol. Als Verleger erhielt er das Österreichische Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft sowie das Ehrenzeichen der Stadt Wien. Der Bund der Vertriebenen zeichnete ihn mit der Ehrenplakette um Verdienste für den Deutschen Osten aus.






Gernot Facius, 1942 in Karlsbad, geboren, wurde wie Herbert Fleissner aus seiner sudetendeutschen Heimat vertrieben. Er arbeitete jahrzehntelang als Redakteur der Welt.