© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

Breitseiten gegen Brüssel, die Sozialisten und Le Pen
Frankreich: Nach einem souveränen Wahlsieg über seinen innerparteilichen Kontrahenten will Fillon sein Land von Grund auf reformieren
Jürgen Liminski

François Fillon ist der Mann, der Frankreich aus dem linken Tal der Tränen wieder an die Spitze Europas führen will. Die Chancen dafür stehen gut. Aus den Wahlen der Konservativen und des Zentrums zur Bestimmung des Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen in fünf Monaten ging er mit zwei Drittel der Stimmen als eindeutiger Sieger hervor. „Nichts kann ein Volk aufhalten, das aufsteht, um seine Zukunft in die Hand zu nehmen.“ 

Es sind solche Sätze, die den Franzosen Mut geben – wenn sie von einem Mann ausgesprochen werden, der ein entsprechendes Programm für diese Zukunft verkörpert. Bei den Vorwahlen sind zwar nur zehn Prozent aller Wähler zu den Urnen gegangen. Aber der Trend ist eindeutig. Fillon hat gezeigt, daß er überzeugen und sammeln kann. Sein kühles Charisma und sein Vertrauen in die kartesianische Urteilskraft, in die Opferbereitschaft der Mehrheit der Franzosen, in ihre Sehnsucht nach ernsthafter und ehrlicher Führung setzen Kräfte frei, die Victor Hugo ähnlich wie Fillon formulierte: „Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“.

Die Zeit und die Ideen sind da, mit ihnen die Wende. Es ist eine Abwendung von staatlicher und parteilicher Gängelung, von medialer Bevormundung. Es ist eine Hinwendung zu persönlicher Verantwortung und Freiheit, zu den Werten der Familie und der Vaterlandsliebe, zu Tugenden wie Fleiß, Ordnung und Achtung vor dem Gesetz. Werte und Tugenden – schon solche Worte sind dem linksliberalen Establishment ein Graus. Aber die mediale Diabolisierung des Kandidaten hat das konservative Wahlvolk nur mobilisiert. Mit dem Sieg bei den Vorwahlen ist der Schnee auf den Gletscherhöhen des Systems ins Rutschen gekommen. Der Effekt dürfte sich bis zur Lawine ausweiten, denn Redaktionen und Politiker fürchten Fillon und wüten gegen ihn. Arroganz und Frust der noch herrschenden „Elite“ zeigte sich schon am Wahlabend, als Cohn-Bendit im Fernsehstudio überheblich ausfällig wurde. Die Mehrheit der Wähler in fast allen Lagern aber will kein Ächten und Abkanzeln. Sie will die argumentative, gesittete Auseinandersetzung.

Die Auseinandersetzung wird hart genug werden. Denn die Konservativen haben zum ersten Mal seit Pompidou, also seit 42 Jahren, wieder einen Kandidaten, der nicht kompromißlerisch mit linken Ideen spielt, um Mehrheiten und Macht zu erlangen, der sich offen zu den christlichen Wurzeln Frankreichs bekennt, der respektvoll mit Gegnern umgeht, aber ebenso entschieden wie höflich seine Ideen verteidigt. Auch Berlin wird sich umstellen müssen. Denn Fillon glaubt nicht an den „Traum eines föderalen Europas“. Wenn man die Nationen vergesse, so Fillon, „rächen sich die Nationen. Das System der EU-Vergemeinschaftung hat sich überlebt“. 

Fillon vertritt ein konkretes Programm. Dazu gehören die Abschaffung der 35-Stunden-Woche, der Abbau des größten Staatsapparates Europas um eine halbe Million Stellen in fünf Jahren, Einschnitte im Sozialsystem, auch bei der Flüchtlingshilfe. Außenpolitisch, so Fillon, sei wichtig, die Ächtung Rußlands zu beenden und die Kooperation mit Moskau zu verbessern. 

Der Wähler weiß, mit wem er es zu tun hat, und gerade diese Aufrichtigkeit, macht Fillon zum Hoffnungsträger. Nach jüngsten Umfragen wird er im kommenden Mai gegen die Vorsitzende des Front National Marine Le Pen in der Stichwahl ebenso hoch gewinnen wie jetzt gegen Juppé. Zudem sind die Linken zerstritten. Der Druck auf Staatspräsident Hollande wächst, sich endlich zu erklären. Schon droht sein Premier Manuel Valls offen mit einer eigenen Kandidatur, der Machtkampf ist ausgebrochen. Nur der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der seine Kandidatur schon verkündet hat, wird davon profitieren. Nach den Umfragen würde er sowohl Valls als auch Hollande überflügeln.