© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/16 / 02. Dezember 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Zeit kaufen können
Paul Rosen

Neulich bei einem (fiktiven) Berliner Wirtschaftsverband: Für die Weihnachtsfeier mit geladenen Gästen wird eine Attraktion gesucht, ein echter Brüller sozusagen, den die lieben Kolleginnen und Kollegen nicht so schnell vergessen werden. Nun ist Harald Juhnke leider tot, Otto nicht mehr so lustig und Herbert Grönemeyer völlig humorlos. Ein Blick in die eingegangene Post würde der Verbandsführung weiterhelfen. Von der Agentur „Network Media GmbH“ werden Termine mit SPD-Politikern für alle Anlässe angeboten. Ja, es können sogar amtierende Bundesminister oder der Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann angemietet werden. Wobei Justizminister Heiko Maas und Oppermann mit bis zu 7.000 Euro pro Termin besonders teuer sind, während Familienministerin Manuela Schwesig bereits für 3.000 Euro zu haben ist. 

Das sind schon seltsame Verhältnisse bei der SPD. Die Agentur ist nämlich Teil des SPD-Firmenimperiums DDVG, unter deren Dach die Partei ihr einstmals blühendes und heute nur noch schrumpfendes Zeitungsgeschäft betreibt. Offenbar versuchen die Sozialdemokraten mit der Vermietung ihrer Spitzenpolitiker ein neues Geschäftsmodell zu etablieren. 

Wobei das gründlich schiefgegangen ist. Erstens ist so etwas unanständig, und zweitens ist es noch unanständiger, Termine mit Frauen billiger zu vermieten als mit den früher so genannten Herren der Schöpfung; ein schwerer Verstoß gegen den (von der SPD offiziell beherzigten) Grundsatz, daß es kein „Gender-Pay-Gap“ geben dürfe. 

Statt zur Weihnachtsfeier rückte der Justizminister jedoch zum Angriff aus. Die CDU soll jetzt schuld sein an dem Politsponsoring. Denn jahrelang habe die CDU Vorschläge der SPD blockiert, Licht in das Sponsoren-Dunkel zu bringen. Das sagt Maas, der genauso zu mieten war wie Oppermann. Der Fraktionsvorsitzende fand übrigens deftige Worte, als die CDU 2010 dabei erwischt wurde, daß man ihren damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (NRW) teuer buchen konnte. Der selbst mietbare Herr Oppermann sprach von einer „Bananenrepublik“. Die Botschaft von „Rent-a-Rüttgers“ sei: „Wir sind der Staat – ihr könnt uns kaufen.“

2011 war die SPD ertappt worden, daß zahlungskräftige Klientel eine Anzeige im Parteiorgan Vorwärts schalten konnte, wenn sie mit Spitzenvertretern der SPD „Kamingespäche“ in tollen Restaurants führen wollte. Für größere Events in Berlin, Hannover und sonstwo war Manfred Schmidt gefragt. Der im Zuge der Affäre um den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff bekannt gewordene Partymanager hat mit dem Zusammenbringen von Politik, Wirtschaft und Interessierten viel Geld verdient. Und wenn in Berlin eine Fachtagung – zum Beispiel ausgerichtet von einer Zeitung – stattfindet, und der Chef des oben erwähnten Wirtschaftsverbandes möchte eine „key note“ sprechen, kauft er sich Redezeit für einen fünfstelligen Betrag. Der Wirtschaftsverband mag jetzt keinen Politiker mehr mieten. Man nimmt sich lieber einen bekannten Journalisten vom Fernsehen. Der kostet mit 10.000 Euro aber noch mehr.