© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/16 / 25. November 2016

Programme zur Neuansiedlung
Lothar Fritze und Friederike Beck untersuchen interne und externe Hintergründe der „Willkommenskultur“
Thorsten Hinz

Für den Chemnitzer Politikwissenschaftler Lothar Fritze ist die „Willkommenskultur“ ein Teil von jener Kraft, die Gutes will, doch Böses schafft. Straff, schnörkellos und sachlich, ohne falsche Rücksichtnahme, stellt er dar und begründet er, wie und warum das Projekt der hypermoralistischen Welt-rettung, dem Deutschland sich hingibt und das mit der Migrationskrise 2015 in eine explosive Phase eingetreten ist, mit Verantwortungslosigkeit und nationaler Selbstaufgabe in eins fällt. Er wirft Schlaglichter auf die politischen, juristischen, moralischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Aspekte und erstellt ein Kompendium der aktuellen Staats- und Gesellschaftskrise.

Einige der Kernaussagen: Der Anspruch von Kriegsflüchtlingen auf humanitäre Soforthilfe begründet kein Niederlassungsrecht und kein Anrecht auf Inklusion in das Sozialsystem. Es existiert ein „Primat des Gastgebers“, das der deutsche Staat allerdings aufgegeben hat. Wer, wie Merkel, die Massenzuwanderung als unabwendbares Schicksal hinnimmt und sich erklärtermaßen darauf beschränkt, „im Land die Prozesse zu ordnen“, der „ist für sein Volk zu einer Gefahr geworden“. Die Zuwanderung faktischer Analphabeten läßt das Bildungsniveau und die ökonomische Leistungskraft sinken. Diese sozialstaatlichen Ressourcen schmelzen ab, während der Bedarf an Transferleistungen steigt. Folglich werden die Verteilungskämpfe zunehmen, in denen die alternde deutsche Bevölkerung sich jungen, virilen Zuwandererpopulationen gegenüber sieht. Wer hier auf längere Sicht wen dominiert, liegt auf der Hand. 

Ansiedlungprogramme von multinationalen Thinktanks

Das alles ist nicht neu, doch liegt der Hauptwert des Buches, wie gesagt, in der Zusammenfassung, Zusammenschau und Systematisierung der Probleme. Vollständigkeit im Detail hat Fritze nicht angestrebt und stattdessen auf Publikationen unter anderem von Demandt, Flaig, Heinsohn, Sarrazin, Volkmar Weiss, aber auch vom Rezensenten, Kubitschek, Lichtmesz, Sellner und Weißmann verwiesen.

Die Funktionseliten in Deutschland haben sich mit der Entwicklung abgefunden. Fritze nennt ihre Kalkulation mit dem Gewöhnungseffekt „zynisch“. So ganz mag er den Leser nicht in die Hoffnungslosigkeit entlassen. Eine allgemeine Bewußtseinsveränderung, die die Verfechter der „Willkommenskultur“ aus dem Offensiv- in den Verteidigungsmodus versetzt, würde auch die parlamentarischen Mehrheiten verändern, glaubt er.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Doch es ist nicht nur „die Mischung aus gesinnungsethisch aufgeladener Irrationalität, politischer Infantilität und Parteienkalkül“, die das Land in diese Situation gebracht hat. Geschichtlich betrachtet, haben am Spiel um Deutschland stets externe Akteure überproportional mitgewirkt. Auch die Migrationskrise läßt sich nur in einem internationalen – und das heißt vor allem: transatlantischen – Kontext verstehen. Die Publizistin Friederike Beck, die schon den blitzartigen Aufstieg des Freiherrn von und zu Guttenberg zum präsumtiven Kanzler mit den Planspielen internationaler Seilschaften in Zusammenhang gebracht hatte (JF 43/11), interpretiert die Flüchlingswelle als Teil einer internationalen Strategie, die sich gegen die Nationalstaaten in Europa richtet. 

Als kürzlich ein Grünen-Politiker vorschlug, ein Neu-Aleppo in Vorpommern zu errichten, war das keine private Schnapsidee, sondern ging auf ein Rundfunk-Interview der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot vom Februar 2016 zurück. Guérot ist Direktorin des European Democracy Lab, eine einflußreiche Multifunktionärin, bestens vernetzt mit US- und europäischen Denkfabriken, mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und mit der Open Society Initiative for Europe des Multimilliardärs George Soros. 2013 begleitete sie Bundespräsident Gauck beim Staatsbesuch in Frankreich. Sie will erklärtermaßen „den kompletten Umbau von Europa“ und „eine nachnationale globale Demokratie“. Eine millionenfache Zuwanderung, die auf eine bevölkerungspolitische Neuordnung Europas hinausläuft, ist im Preis inbegriffen.

Das paßt zu den Plänen, die auf der Ebene von Uno und EU geschmiedet werden. Was aktuell als Flüchtlingsdrama verkauft wird, ist der Beginn eines Neuansiedlungsprogramms in Europa. Die von Beck zitierten Uno- und EU-Dokumente lassen daran keinen Zweifel.

Entgegen dem Anschein hat Merkel hat sich im Sommer 2015 keineswegs planlos, passiv oder sentimental verhalten. Mit der massierten Zuwanderung wurde „Druck“ aufgebaut, der dazu führen soll, Kompetenzen nach Brüssel abzugeben und sich im Rahmen der Nato militärisch zu engagieren. Noch einmal Guérot, diesmal im britischen Telegraph: Merkel habe dem deutschen Wähler demonstrieren wollen, „daß Deutschland sich mehr um globale Probleme kümmern muß, wenn des nicht die Konsequenzen zu Hause erleiden will“.

Das ist eine klare Ansage, welche die Diskussionen und Auseinandersetzungen, wie sie in Deutschland ausgetragen werden, in Makulatur verwandelt. Auch der Titanenkampf des Horst Seehofer um „Obergenzen“ ist demnach nichts als ein Schattenboxen, mag er sich dessen bewußt sein oder nicht. 

Viel wichtiger als die meisten deutschen Politiker sind politische Global Player wie Gerald Knaus, Vorsitzender der Europäischen Stabilitätsinitiative. Ihn nannte die Zeit im Juli 2016 „eine der Hauptfiguren in dem großen Drama, das sich in Europa seit einem Jahr abspielt“. Knaus gilt als wichtiger Einflüsterer Angela Merkels und Erfinder ihrer Flüchtlingspolitik. Seine Organisation wird von europäischen und transantlantischen Stiftungen und natürlich auch von Soros finanziert.

Homogenität europäischer Völker „zerstören“ 

Noch einflußreicher ist der irische Politiker Peter Sutherland, ein Bilderberger, Sondergesandter der Uno, Mitglied der Trilateralen Kommission und von 1995 bis 2015 Aufsichtsratsvorsitzender von Goldman Sachs. Er bekennt offen, die Nationalstaatlichkeit und kulturelle Homogenität der europäischen Völker „zerstören“ und die „Mentalität der Leute (...) ändern“ zu wollen. Anläßlich eines europäisch-afrikanischen Gipfeltreffens zur Migration im November 2015 flüsterte er Merkel seine Bewunderung ins Ohr, worauf sie erwiderte: „Aber es ist für Europa.“ Die sogenannte Flüchtlingskrise folgt also nicht aus einem Schwächeanfall der deutschen Politik, sondern zu einem guten Teil aus der Kriegserklärung der globalistischen Elite an die europäischen Nationalstaaten.

Friederike Beck mußte für ihre Recherchen keine Geheimakten wälzen, sondern konnte sich auf frei zugängliche Informationen, Verlautbarungen und Dokumente stützen. Dabei hat sie Kärrnerabeit geleistet. Ihr Buch bietet eine Außen-, das von Lothar Fritze eine Innenschau der Lage, und beide fügen sich zu einem Gesamtbild. Die Lektüre ist geeignet, sich vom Glauben an die bundesdeutsche Politik und ihre mediale Begleitmusik endgültig zu verabschieden.

Friederike Beck: Die geheime Migrationsagenda. Wie elitäre Netzwerke von EU, Uno, superreichen Stiftungen und NGOs Europa zerstören wollen. Kopp Verlag, Rottenburg 2016, gebunden, 288 Seiten, 19,95 Euro

Lothar Fritze: Der böse gute Wille. Welterrettung und Selbstaufgabe in der Migrationskrise. Manuscriptum Verlag, Berlin 2016, broschiert, 202 Seiten, 15,80 Euro