© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/16 / 25. November 2016

Pflichtlektüre für Interessierte
Finanzmarkt: Hans-Jürgen Jakobs stellt in „Wem gehört die Welt?“ die mächtigsten Akteure vor
Christian Dorn

Für Christoph Butterwegge, den Armutsforscher und Bundespräsidentenkandidaten der Linkspartei, dürfte der Titel „Wem gehört die Welt?“ wie eine Offenbarung zur rechten Stunde sein. Verspricht doch das Buch des Wirtschaftsjournalisten Hans-Jürgen Jakobs „die erste umfassende Recherche über die wahren Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus“. Dieser Anspruch erscheint freilich fragwürdig – nicht nur angesichts des Buchumschlags, dessen Motiv in altmodischer Manier an marxistische, leicht verschwörungstheoretische Kapitalismuskritik erinnert.

Dementsprechend erklärt der Verlag den Titel zur „Pflichtlektüre für jeden gesellschaftlich verantwortlich denkenden Menschen“. Seien doch Menschen wie Larry Fink (Blackrock), Stephen Schwarzman (Blackstone) oder Abdullah bin Mohammed bin Saud Al-Thani (Qatar Investment Authority) mit ihren billionenschweren Fonds „verantwortlich für die globale Umverteilung von unten nach oben“. Deren ungezügeltes Wachstum und deren ungeregelte Gier nach Rendite seien die größte Bedrohung für unser aller Wohlstand.

Pflichtlektüre für Interessierte

Eine andere gab 2014 der Publizist Michael Maier in seinem im Finanzbuchverlag erschienenen Titel „Die Plünderung der Welt: Wie die Finanz-Eliten unsere Enteignung planen“. Demnach haben wir es – mit Worten des Ökonomen Roland Baader – in erster Linie mit einer „Verschuldungskrise von welthistorischen Ausmaßen“ zu tun. Um die Schulden abzubauen, plünderten die Staaten die privaten Vermögen.

Zugleich sicherten die Zentralbanken über ihr Monopol und im Zusammenspiel mit den politischen Eliten die grenzenlose Geldvermehrung, welche letztlich zur Geldentwerung führt. Die aus diesem System entstehende und sich potenzierende Kapitalbildung großer Finanzakteure erscheint vor diesem Hintergrund als eine bloße Folge staatlichen Handelns. Dennoch ist Jakobs’ Buch ein exzellentes Nachschlagewerk, nicht zuletzt dank der Tabellen und Graphiken. 

Denn tatsächlich enthält es – als Ergebnis einer wahren Fleißarbeit von Dutzenden Handelsblatt-Experten – in einer noch nie gesehenen Gesamtschau die Porträts der „mächtigsten Akteure des Weltfinanzwesens“. Dabei werden im ersten Teil die verschiedenen Kapitalbereiche und deren wichtigste Vertreter vorgestellt: Vermögensverwalter, Pensionskassen, Staatsfonds, Private Equity, Hedgefonds, Familienunternehmen, Banken und Versicherungen.

Im zweiten Teil werden die Protagonisten der wichtigsten Branchen porträtiert: Automobile, Handel, Chemie/Pharma, Freizeit/Entertainment, Energie/Rohstoffe, Konsumgüter, Industrie, High-Tech und Logistik. In Europa und Nordamerika sind diese trotz Globalisierung weiter überwiegend in „weißer“ Hand. In China, Japan oder Südkorea werden große wie kleine Unternehmen sogar streng „nationalistisch“ geführt. Interessant sind dabei die Ausnahmen – etwa die Karrieren von Indra Nooyi oder Muhtar Kent. Die 61jährige Inderin ist – nach Stationen bei Boston Consulting, Motorola und ABB – seit 2006 Chefin des Pepsi-Konzerns. Der aus einer türkischer Familie stammende 64jährige Kent führt seit 2008 die Coca-Cola-Company, das wohl amerikanischste Unternehmen überhaupt. 

Zur Buchvorstellung vorige Woche in Berlin pries daher Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, das Buch für dessen Aufklärung über die handelnden Personen. Allerdings tendiere es dazu, die aufgeworfenen Fragen falsch zu beantworten, meinte der CDU-Politiker. Denn problematisch sei nicht die Eigentümerfrage, sondern was der Eigentümer mit dem Kapital mache und ob Handlung und Haftung zusammengehen. Entsprechend absurd erscheine Jakobs’ Bedrohungsszenario durch den New Yorker Investmentfonds Blackrock, der 4,9 Billionen Dollar verwaltet, was dem Anderthalbfachen der Wirtschaftsleistung (BIP) des Exportweltmeisters Deutschland entspricht.

Ist Kanzlerin Merkel besser als der Manager Larry Fink?

So moniere Jakobs etwa, daß Blackrock – mit 6,2 Prozent größter Aktionär der Deutschen Bank (und mit insgesamt 10,7 Prozent Anteil am Leitindex Dax) – verhindert habe, daß Josef Ackermann, bis 2012 Vorstandschef der Deutschen Bank, zu deren Aufsichtsratsvorsitzendem gewählt wurde. Gerade dies, so Kampeter, spreche für die ethischen Regeln von Blackrock, die hier ernster genommen würden als in manch deutschem Konzern. Auch seien Asset-Manager so erfolgreich, „weil sie so gut sind“.

In Jakobs Forderung nach einem „Deutschland-Fonds“ sieht der frühere parlamentarischer Staatssekretär von Wolfgang Schäuble eine überholte „politische Romantik – als wäre Angela Merkel eine bessere Asset-Managerin als Larry Fink“. Zudem finde die von der Politik geforderte Finanzmarktkontrolle weitgehend von allein statt: Das Zutrauen zeige sich an den Finanzflüssen.

Doch irgendwie scheint die Rechnung nicht aufzugehen: So erklären Verleger und Autor Politiker wie Marine Le Pen, Frauke Petry oder Donald Trump zu den zweiten Gewinnern der globalen Umverteilung des Kapitals. Wäre dem so, fragt sich, warum der angeblich mächtigste Strippenzieher Larry Fink es nicht geschafft hat, Hillary Clinton den Wahlsieg zu sichern. Schließlich galt der Chef von Blackrock als Clintons Kandidat für das Amt des Finanzministers in ihrem Regierungskabinett.

Willkürlich wirkt zudem, am Ende jedes Porträts, die Bewertung nach den fünf Parametern Nachhaltigkeit, Unbestechlichkeit, Steuerehrlichkeit, Humanität und Transparenz – gerade so, als wäre es die Vorlage für ein Kartenspiel „Who’s whose“, analog zu den klassischen Autoquartetten.

Hans-Jürgen Jakobs: Wem gehört die Welt? Die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus. Knaus Verlag, München 2016, gebunden, 680 Seiten, 36 Euro