© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/16 / 25. November 2016

Grüße aus Rom
Insel der Ruhe
Paola Bernardi

Rom kann sehr anstrengend sein: Einerseits eine Schönheit, die ergreift, eine Bilderflut, die überwältigt. Andererseits scheinen die Stadt und ihre Bewohner immer wie auf einem Schlachtfeld. Schreiende Menschenmengen, übertönendes Gehupe in diesem nie versiegenden Autostrom. 

Wenn der Kopf dröhnt, die Beine marmorschwer sind, dann drängt die Zeit nach Stille. Roms stimmungsvollster Friedhof, der Cimitero acattolico ist so eine Insel der Ruhe. 

Im Schatten der Cestius Pyramide, besteht dieser Friedhof nun seit genau 300 Jahren. Er vereint im Tode zahlreiche europäische Künstler, Gelehrte und Diplomaten. An den Gräbern lassen sich alle Phasen der wechselvollen europäischen Geschichte studieren. 

In den anderen Parks von Rom findet man längst keine Katzen mehr.

Nur hier durften die in Rom gestorbenen Protestanten mit päpstlicher Erlaubnis bestattet werden – allerdings nur nachts und bei Fackelschein. Erst durch den Einfluß Wilhelm von Humboldts als Preußischer Gesandter beim Heiligen Stuhl (1802 bis 1808) lockerten sich die päpstlichen Vorschriften. Während seines Rom-Aufenthaltes verlor Humboldt zwei Söhne im Kindesalter. Daß die Gräber schutzlos waren, ließ ihn nicht ruhen und er erreichte, daß er ein Stück Land für eine Familiengruft kaufen und einzäunen durfte. Zwei Marmorsäulen markieren die Gräber. Heute umgibt eine hohe Mauer den Friedhof.

Auf Kieswegen unter immergrünen Zypressen und Oleander liest man im Vorübergehen die Namen Hans von Marées, Gottfried Semper, die englischen Poeten John Keats und Percy Shelley oder  Friedrich Adolf Freiherr von Willisen. Seines Zeichens preußischer General der Kavallerie, Oberstallmeister und  Gesandter Preußens beim Heiligen Stuhl. Auch das Grab von Goethes Sohn befindet sich hier. „Goethe filius“ steht auf Marmor, von „Julius August Walther“ keine Spur. Selbst im Tode wurde der Sohn noch vom Ruhm seines Vaters erdrückt. Ebenso ist hier das Grab von Antonio Gramsci, dem Mitbegründer der Kommunistischen Partei. Er wurde mit anderen „Ketzern“ beigesetzt.

Noch ist die Novembersonne warm, und zahlreiche Katzen streifen umher oder liegen als vierbeinige Grabwächter auf den Steinen. Niemand vertreibt sie. In den Parks von Rom jedoch findet man längst keine Katzen mehr. „Sie sind längst von den Ärmsten der Armen verzehrt worden“, so lautet die politisch korrekte Standardantwort der Römer.