© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/16 / 25. November 2016

Bedrohte Helfer
Respektloses Verhalten, anmaßendes Auftreten, Drohungen, Attacken: Reportage über Probleme mit Einwanderern im Medizinsektor
Verena Inauen

Es ist drei Uhr morgens, als sich die Tür zum Patientenzimmer von Doris W. öffnet. Herein kommt eine muslimische Frau. Hochschwanger, gestützt von ihrem Ehemann. Die Krankenschwester des christlichen Privatkrankenhauses teilt der Patientin ihren Platz im Zweibettzimmer zu, den Mann bittet sie, wieder zu gehen. Es war Nachtruhe, Doris hatte vor wenigen Stunden entbunden, der Kraftakt hat sie und ihr Kind geschwächt. Sie zieht den durch den Lärm aufwachenden Säugling näher zu sich. Nein, gehen wolle der Mann ganz bestimmt nicht. Er lasse seine Frau nicht mit Ärzten alleine, die sie nur mit Medikamenten vollpumpen und seinem künftigen Sohn schaden werden, erklärt er der Nachtschwester. Daß sein Kind ein Mädchen sein wird, wußte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Im Zangengriff aus der    Geburtenstation geführt

Die Stimmen werden lauter. Doris zieht den dünnen Vorhang als Sichtschutz demonstrativ weiter vor ihr Bett. Durch den schmalen Spalt sieht sie den Vater in spe neben dem Bett der werdenden Mutter knien und hört ihn unverständliche Laute murmeln. Die Frau beginnt sich in den Wehen zu winden. Der Wehenschreiber zeigt nur eine geringe Tätigkeit, ihre Schreie aber sind stark und durchdringend und wohl bis zu den Schwestern einige Zimmer weiter zu hören.

Arabische Patientinnen sind die Schwestern mittlerweile gewöhnt. Auch ihre Gebräuche, schildert die diplomierte Krankenschwester Martina K. der JUNGEN FREIHEIT. Sie hat lange Zeit für ein großes Berliner Krankenhaus gearbeitet. Als „morbus mediterraneus“ bezeichnen die Krankenpflegerinnen unter sich das Verhalten dieser Patienten aus dem Süden. Solche, die bereits bei leichten Schmerzen unverhältnismäßige Schmerzäußerungen von sich geben. Mitunter wird schon bei einem leichten Infekt in der Familie der schlimmste Ernstfall angenommen, weswegen sogar entfernte Verwandte zu jeder erdenklichen Zeit und Unzeit in das Krankenhaus pilgern. „Die schleppen auch gerne mal die ganze Sippe an und beschlagnahmen das Patientenzimmer, selbst wenn der Kranke gar nicht da ist“, berichtet Schwester Martina.

Die Pflegerinnen reagieren nur langsam, als Doris zum ersten Mal klingelt. Mit dem fremden Mann neben ihrem Neugeborenen im Zimmer fühlt sie sich unwohl. Sie bitten den in sein Gebet versunkenen Mann abermals aus dem Zimmer. Aggressiv blickt der auf. Die Aufforderung von Hebamme, Krankenschwester und sogar Arzt, zu gehen, ignoriert er. Der für solche Zwecke am Eingang des Krankenhauses postierte Sicherheitsdienst führt den Mann schließlich im routinierten Zangengriff aus der Geburtenstation und läßt sich auch von wüsten Beschimpfungen nicht beeindrucken. 

Von Tumult durch Einwanderer berichtet der JF auch Ulrike Sch. Der trug sich Ende Oktober in der Notfallambulanz eines Kölner Krankenhauses zu. Die 40jährige wartete mit einem gebrochenen Arm auf einen Arzt. Hysterisch insistierend, diagnostizierte am Aufnahme­schalter eine junge Frau mit Kopftuch ihrem Sohn eine Lungenentzündung. Die Aufforderung, doch bitte erst einmal Platz zu nehmen, „Sie werden dann aufgerufen“, nahm sie nur unter lautstarkem Protest hin. Ihren Sohn bugsierte sie in die Spielecke des Wartebereiches. Deutschsprachige Bilderbücher, bunte Legobausteine. Alsbald entbrannte ein veritabler Streit. Der Nachwuchs mehrerer Einwanderer stritt sich, in welcher Sprache das Fernsehprogramm laufen sollte. Auf türkisch, serbisch oder arabisch? Die arabischen Kinder setzten sich am Ende durch, ihre Eltern stellten die Mehrheit.

91 Prozent der Hausärzte erlebten bereits Aggressivität

Mit Sprachbarrieren und kultureller Vielfalt hat auch Thomas R. schon Bekanntschaft gemacht. Er ist Rettungssanitäter im Rhein-Neckar-Kreis. Der JF erzählt er von einer Roma-Großfamilie, die sowohl der Polizei als auch dem Rettungsdienst bereits gut bekannt sei. Viele der 150 bis 200 Personen aus dem „Clan“ seien schon in dritter Generation in Deutschland, die Verständigung aber immer noch immens schlecht. Ausreichend allerdings, um den behandelnden Ärzten, medizinischem Personal oder Sanitätern mit dem Tod zu drohen, falls eine Behandlung nicht ihren Vorstellungen entspricht. „Die Angehörigen verfolgen uns jedesmal mit 140 Stundenkilometern und den wildesten Überholmanövern bis zum Heidelberger Krankenhaus“, berichtet er. Wird einer der Protagonisten polizeilich belangt, rücke eben ein Bruder, Cousin oder Schwager nach.

Gedankt wird den vielen Lebensrettern immer weniger, wie zahlreiche Übergriffe auf das medizinische Personal in ganz Deutschland zeigen. Ganze 98 Prozent der Rettungskräfte seien bereits mit verbaler Gewalt, 59 Prozent auch mit körperlicher Gewalt konfrontiert gewesen, zeigt eine Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum aus dem Jahr 2012. Das Problem besteht seit vielen Jahren. Ein 33 Jahre alter marokkanischer Asylbewerber, der wegen einer ansteckenden Krankheit im niederrheinischen Neuss in Behandlung war, attackierte und bedrohte 2014 Ärzte und Pflegepersonal. Nur durch einen gezielten Beinschuß der Polizei konnte er aufgehalten werden, wie die Kreis­polizeibehörde mitteilte. 

Ein Polizeieinsatz in Hameln wurde auch im Januar 2015 nötig, nachdem ein kurdischer Mann bei dem Versuch zu fliehen aus dem siebten Stock des Amtsgerichts in den Tod gestürzt war. Die aus allen Bundesländern herbeigereisten Angehörigen machten das Gericht dafür verantwortlich und attackierten Justizangestellte. Als der lebensgefährlich verletzte Mohammed S. schließlich ins Krankenhaus transportiert wurde, mußten Beamte das Gebäude verbarrikadieren, um die diensthabenden Ärzte vor dem wütenden Mob von 30 Personen zu schützen. Mit herausgerissenen Pflastersteinen und Pfefferspray wollten sie sich Zutritt verschaffen.

„Aus Erfahrungen können auch Vorbehalte entstehen“

Drei Jahre nach den Erhebungen aus Bochum zeigt auch im Jahr 2015 eine deutschlandweite Befragungsstudie des Deutschen Ärzteblattes keine Verbesserung. 91 Prozent der Hausärzte haben während der Ausübung ihres Berufes schon aggressives Verhalten erlebt, 73 Prozent davon alleine in den vergangenen zwölf Monaten. Zu über 80 Prozent seien hier Frauen Opfer von mittelschwerer Gewalt. Ein ähnliches Bild zeichnet auch eine im Oktober 2016 veröffentliche Befragung von Nürnberger Klinikmitarbeitern: 70 Prozent wurden während ihrer Dienstzeit bereits Opfer von verbalen oder körperlichen Attacken, 49 Prozent sogar in jüngster Zeit. „Wir sind beileibe kein Rabaukenkrankenhaus, solche Vorfälle gibt es an allen großen Krankenhäusern“, zitiert die Nordbayerische Zeitung den Ärztlichen Direktor, Günter Niklewski. Sicherheitsmitarbeiter seien darum in ganz Deutschland nicht mehr wegzudenken.

Bestätigen kann die Studien auch René H. Er ist Rettungssanitäter und seit vielen Jahren bei der Berliner Feuerwehr im Dienst. Seine Kollegen schützen sich bereits seit einigen Jahren gegenseitig, während ein Patient versorgt wird. Besonders prekär sei die Lage in Problemvierteln mit hohem Ausländeranteil wie etwa Neukölln. Die Rettungswagenfahrer schalten auf dem Weg dorthin bewußt kein Blaulicht oder Folgetonhorn mehr ein.

Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu Angriffen auf Sanitäter, bevor diese zu den Verletzten vordringen konnten. Viele von Renés Kollegen haben ebenfalls Migrationshintergrund, sie verstehen den fehlenden Respekt vor ihrem Beruf nicht. „Wir kommen bei Ausländern nach der Müllabfuhr“, kommentiert ein aufgebrachter Kollege das Gespräch. René hat das Eis gebrochen, viele der Mitarbeiter in der Feuerwache wollen ihrem Ärger nun ebenso Luft machen. Seit im Vorjahr Hunderte Asylbewerber in einer nahe gelegenen Massenunterkunft eingezogen sind, werden die Ersthelfer tagtäglich mit der Thematik „Zuwanderung“ konfrontiert.

Weil es offenbar eine Weisung für die Asylbewerber gibt, nicht selbständig zum Arzt oder ins Krankenhaus zu gehen, wird die Feuerwehr bei Husten, Schnupfen oder Blasen an den Füßen angefordert. „Wir haben ohnehin zu wenige Fahrzeuge und zu wenig Personal, nun müssen wir auch noch Taxi spielen“, ärgert sich René. Besonders kompliziert sei jedoch die Behandlung arabischer Frauen. Weil ihre Ehemänner die Versorgung durch männliche Sanitäter oftmals nicht zulassen, müssen die Patientinnen ohne Hilfemaßnahmen ins Krankenhaus gebracht werden.

Einen Einsatz solcher Art vermuten die Mitarbeiter auch, als der Funkpiepser losgeht und sie zum Einsatz in der Großunterkunft ruft. Dort erwartete sie dann allerdings ein randalierender Asylbewerber, der in die Psychiatrie zwangseingewiesen werden sollte. Der Mann hatte sich zuvor gegenüber seiner Frau aggressiv verhalten und durfte sie darum nicht mehr sehen. Obwohl er angeblich nur Farsi verstehe, begann er nach einiger Zeit, die Helfer auf deutsch und englisch zu beschimpfen. Beruhigen ließ er sich auch durch den angeforderten Notarzt nicht, der ihm eine hohe Dosis an Beruhigungsmitteln verabreichte, die indes keine Wirkung zeigten. Der Mediziner vermutete einen vorausgehenden Drogen- und Medikamentenmißbrauch des Patienten, schildert René nach seinem Einsatz der JF. „Es gibt grundsätzlich keine Vorbehalte gegenüber Ausländern. Nur Erfahrungen. Und so können auch Vorbehalte entstehen“, zuckt der langjährige Sanitäter resigniert mit den Schultern.

„Ob Arzt, Krankenschwester oder Rettungssanitäter“ – der Respekt vor medizinischem Personal „habe extrem nachgelassen“, sind sich Schwester Martina K. und die Sanitäter René H. und Thomas R. einig. Vor wenigen Jahren habe man sogar noch Unterstützung von Passanten auf der Straße erhalten, wenn ein Patient wiederbelebt werden mußte. „Heute kann es schon mal vorkommen, daß dich seine Familienmitglieder attackieren“, weiß René. Als erster Landkreis führte Chemnitz darum im Herbst schußsichere Westen für den Rettungsdienst ein. Ohne Unterstützung der Landesregierung allerdings. Offiziell wird weiterhin Deeskalation bei allen Einsatzkräften großgeschrieben. Dem fehlenden Anstand könne nur noch mit Ruhe begegnet werden, wird in Schulungen vermittelt. Viele der Einsatzkräfte wünschen sich hingegen ein stärkeres Auftreten von Polizei und Justiz.

Studie „Aggression und Gewalt gegen Allgemeinmediziner und praktische Ärzte. Eine bundesweite Befragungsstudie“. Deutsches Ärzteblatt, Heft 10, 2015:  https://www.aerzteblatt.de/