© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/16 / 25. November 2016

Keine Freiheit ohne Sicherheit
„Walberberger Gespräch“: In Bonn diskutierten Konservative aus Politik, Wissenschaft und Praxis über die Bedrohung von Recht und Gesetz
Lukas Steinwandte

Es ist kein bayerisches Bierzelt, in dem Innenminister Joachim Herrmann (CSU) an diesem Abend zur Wahlkampfrede ansetzt. Der Churfürstensaal im Bonner Hotel Bristol ist bis auf die hinterste Reihe gefüllt. Am Beispiel seines Freistaats will der Minister beweisen: „Mehr Sicherheit ist möglich.“ Sie sei schließlich die Kernaufgabe des Staates und werde in Bayern besser erfüllt als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen. „Gefährdete Sicherheit“ lautet das Thema des 71. Walberberger Buß- und Bettagsgesprächs über „Ordnungsaufgaben des Rechtsstaates“. 

Neben Herrmann hat das Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg den Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, und den Staatsrechtler Josef Isensee geladen. Die Botschaft des Abends: Die CDU wird’s schon richten, sie muß nur ein bißchen bayerischer werden. 

Der Polizeigewerkschaftschef Wendt verteidigt Polizeibeamte, die die Konsequenzen inkonsequenter Politik und lascher Justiz zu tragen hätten. Der Staat müsse wieder stärker werden, allerdings nicht durch Privatisierung. „Oder wollen Sie, daß die Polizei so arbeitet wie die Bahn fährt?“ fragt er in Richtung der rund 300 Gäste. Die Beamten hätten auch schon vor Beginn der Asylkrise immer mehr Aufgaben bewältigen müssen. „Die Polizei bekommt es auch jetzt hin.“ 

„Worte von Päpsten nicht so ernst nehmen“

Skeptischer sieht das Isensee. „Die ältere Schwester der Freiheit ist die Sicherheit“, konstatiert der Staatsrechtler. Die deutschen Behörden seien allerdings alleine nicht dazu in der Lage, diese zu garantieren. Wenig schöne Worte findet er für die Justiz: „Wir können uns so ein weltfremdes Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nur leisten, weil das Auge amerikanischer Geheimdienste über uns wacht.“

Klartext redet Herrmann zum Thema Asylpolitik – im AfD-Duktus: „Die Täter sind mitten unter uns.“ Damit meint er als Flüchtlinge getarnte Terroristen. Er untermauert auch die CSU-Forderung nach einer Obergrenze für Einwanderer. Noch einmal eine Million Asylsuchende, noch einmal ein Jahr 2015, dürfe es nicht mehr geben. Allein Bayern habe binnen eines Jahres so viele Menschen aufgenommen, die der Größe von Würzburg entsprächen. „Das kann nicht funktionieren.“ 

Der Vorsitzende des Instituts, Wolfang Ockenfells, umschreibt die Asylkrise als „hysterische Situation“. Dies und die „wachsende Kriminalität“ sorgten dafür, daß das „Thema Sicherheit in Konjunktur“ sei. Freiheit gäbe es nicht ohne Sicherheit. Deshalb müsse die Freiheit „institutionell abgesichert sein“. 

Die mehrheitlich weiß behaarten Köpfe goutieren diese Forderung mit kräftigem Nicken. Abgesichert müßten auch die Grenzen sein: „Wer offen nach allen Seiten ist, kann nicht ganz dicht sein.“ Und wie paßt dies mit den Aussagen Papst Franziskus’ zusammen, der sich bei Asylsuchenden entschuldigt hat, weil Europa zuwenig von ihnen aufgenommen habe? „Man darf die Worte von Päpsten nicht so ernst nehmen“, antwortet der katholische Theologe. 

Herrmann, der von seinen Sicherheitsmännern mit Knopf im Ohr keine Sekunde lang aus den Augen gelassen wird, findet aber auch beruhigende Worte. Der Zuzug von Einwanderern sei nach Schließung der Balkanroute und der Zusammenarbeit mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan deutlich zurückgegangen. Wo vor einigen Monaten noch mehrere tausend Asylsuchende pro Tag in Bayern ankamen, seien es mittlerweile keine hundert mehr. 

Dann wird Herrmann wieder laut, das Publikum ist längst gefangen: Die Linken mahnten, Flüchtlinge dürften nicht unter Generalverdacht gestellt werden, wenn einige von ihnen ohne Ausweis einreisten. „Das ist saudummes Gerede“, schimpft der Bayer. „Fliegen Sie mal nach New York und sagen Sie am Flughafen: ‘Ich habe leider meinen Paß vergessen’.“