© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Knapp daneben
Selbsterkenntnis durch Algorithmen
Karl Heinzen

Im Durchschnitt irrt ein Autofahrer, der einen Parkplatz sucht, zehn Minuten umher. Dabei legt er 4,5 Kilometer zurück und ist am Ende um 1,35 Euro ärmer. Auf alle Bürger unseres Landes hochgerechnet, summiert sich die Zeitverschwendung auf 560 Millionen Stunden pro Jahr. Verantwortlich für diese Ineffizienz ist die Beschränktheit der menschlichen Natur. Aufs neue bestätigt sich die Lehre des digitalen Zeitalters: Eine bessere Welt kann es nur geben, wenn Algorithmen dem Menschen möglichst viele Entscheidungen abnehmen. Die Lösung, mit der ihn die beiden Kölner Unternehmensgründer Adalbert Rajca und Yasotharan Pakasathanan vom Streß der Parkplatzsuche entlasten, erscheint daher einleuchtend. Ihr Startup Ampido bietet eine App, mit der Autofahrer vorab fündig werden. Sie geben den Zielort ein, sehen, welche Plätze in der Nähe frei sind, reservieren und bezahlen – und los kann die entspannte Fahrt gehen. Ampido behält eine Vermittlungsgebühr ein, der Rest wird an die Anbieter, Parkhäuser, die Kommune, aber auch Privatleute und Unternehmen abgeführt.

Eine zeitgemäße App sollte entscheiden, welches Ziel für den Menschen überhaupt lohnenswert ist.

Ob dieses Geschäftsmodell nachhaltig ist, darf aber dennoch bezweifelt werden. Zum einen reizt es die ökonomischen Möglichkeiten nicht aus. Fixe Parkgebühren setzen den Preisbildungsprozeß von Angebot und Nachfrage außer Kraft. Effizienter und ertragreicher wäre es, das knappe Gut Parkraum an den Meistbietenden zu versteigern. Zum anderen leidet dieses Startup, wie alle anderen im IT-Sektor auch, an dem Problem, daß Lösungen bereits überholt sind, wenn sie auf dem Markt erscheinen. Eine zeitgemäße App muß mehr leisten, als dem Autofahrer einen Parkplatz zu vermitteln. Sie sollte entscheiden, welches Ziel für ihn überhaupt lohnenswert ist. Der Mensch allein kann dies nicht wissen. Wo er vergißt und aus dem Bauch heraus entscheidet, halten Datenbänke fest, was ihn ausmacht, und Algorithmen, die seine Präferenzen nachbilden, ziehen daraus logische Schlüsse. „Erkenne dich selbst!“ Die Maschinen erst machen es möglich, daß der Mensch dem Appell des Orakels von Delphi endlich Folge leisten kann.