© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Tausend Jahre Abwehrschlacht
Wilfried Westphal rückt in seiner Darstellung romantische Verklärungen der christlich-islamischen Geschichte zurecht
Rolf Stolz

Das Buch des Völkerkundlers und Publizisten Wilfried Westphal setzt sehr persönlich ein mit Eindrücken aus Karthago – einst Hauptstadt einer Großmacht, nun provinzieller Vorort von Tunis. Nahe den Ruinen der Antike erhebt sich hier die dem französischen König Ludwig IX. geweihte riesige Kathedrale. 1890 wurde sie dort errichtet, wo 1270 auf dem Siebten Kreuzzug der Heilige Ludwig starb. 1964 aufgegeben, wurde sie 1994 vom tunesischen Staat in ein Kulturzentrum umgewandelt. 

In der einst christlichen Heimat des großen Kirchenlehrers Tertullian beginnt somit eine Wanderung durch die Geschichte zweier Religionen, bei der zwischen den Zeilen danach gefragt wird, ob Europa das gleiche Schicksal bevorsteht wie Nordafrika. Westphal sieht das Christentum zu Recht als eine missionarische Religion des Wortes im Konflikt mit der imperialistischen Religion Mohammeds, die seit einem halben Jahrhundert weltweit die einst von den nomadischen Arabern begonnene, auf das Schwert gestützte Expansion wieder aufgenommen hat. 

Die gewaltsame Eroberung als immanentes Prinzip

In der frühen Christenheit spielten, gestützt auf den Glauben an den Messias und das Wirken der Apostel und Märtyrer, die Missionare eine entscheidende Rolle. Während für das Christentum die durch Predigen und Überzeugen verbreitete religiöse Botschaft im Mittelpunkt stand, war schon die Frühzeit des Islam geprägt vom Primat der Eroberungs- und Raubfeldzüge – beginnend mit dem Massenmord Mohammeds an medinensischen Juden. Dieser Herrscherprophet war ein Machtmensch und Chauvinist erster Güte und alles andere als „ein Beispiel für Friedfertigkeit, Vergebung, Milde, Eintracht“. Zu Recht hält Westphal fest, daß es der Islam war, der ohne provoziert worden zu sein den Krieg gegen das Christentum und das Judentum aufnahm. Nur durch kriegerische Expansion zwischen Gibraltar und dem Indus, bei der Glaubensverbreitung und Beutemachen Hand in Hand gingen, konnte die Wüstenreligion sich etablieren und konnte sie „das Christentum praktisch auf Europa, das eigentlich doch nur ein Vorposten des Christentums war“, zurückdrängen. 

In einem abschließenden Teil stellt der Autor die geistig-weltanschaulichen Grundlagen der beiden Religionen gegenüber. Er kontrastiert die Verherrlichung der Gewalt im Islam damit, daß Jesus nicht die revolutionäre Beseitigung der Autoritäten, sondern das Erdulden der Ungerechtigkeit und die Feindesliebe gepredigt habe. 

Kritisch analysiert Westphal die von Paulus geprägte zunehmende Zurücksetzung der Frau im Christentum und die noch massivere Unterordnung der Frauen unter männliche Allmacht im Islam. Bestimmte im historischen Kontext eher gemäßigte Vorgaben Mohammeds seien dabei von dessen Nachfolgern extrem verschärft worden. Bemerkenswert ist, daß Westphal entgegen der landläufigen und sehr einseitigen Interpretation, nach der die christlichen Kreuzzüge als Mißhandlung unschuldiger Muslime verteufelt werden, diese Periode sachlich zutreffend in den historischen Kontext, nämlich als Selbstverteidigung der heiligsten Stätten der Christenheit und Reaktion auf den muslimischen Terror unter dem Fatimiden-Kalifen al-Hakim (Zerstörung der Grabeskirche 1009), einordnet. 

Mit Fußnoten, einem Register, einer Literaturübersicht und Landkarten ist hier ein Buch entstanden, das sowohl zur ersten Übersicht wie zu vertiefender Lektüre geeignet ist, sich um ein ausgewogenes Urteil bemüht und auch den islamischen Quellen breiten Raum einräumt.

Wilfried Westphal: Heiliger Krieg und Frohe Botschaft. Islam und Christentum: der große Gegensatz. Lindenbaum Verlag, Beltheim-Schnellbach 2016, gebunden 379 Seiten, 29,80 Euro