© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Blamage für den Journalismus
Trump-Wahl: Deutschlands Leitmedien versagen und zeigen sich als schlechte Verlierer
Michael Paulwitz

Politische Katastrophe“ (Spiegel Online) – „Horrorclown“ (taz, Die Zeit) – „Aggressivpopulist“ (Süddeutsche Zeitung) – „seit 9/11 […] kein schlimmeres Ereignis“ (Die Welt) – „Ende des Westens“ / ...der westlichen Weltordnung“ / ...der Welt“ (Jakob Augstein, Frankfurter Rundschau, Spiegel). Auch Tage nach den Präsidentenwahlen in den USA fällt es deutschen Leitmedien sichtlich schwer zu akzeptieren, daß Donald Trump und nicht die von ihnen favorisierte Establishment-Kandidatin Hillary Clinton gewonnen hat. Unter den Apokalyptikern schießt das Hamburger Sturmgeschütz mit dem aktuellen Spiegel-Titel zweifellos den Vogel ab: Der designierte US-Präsident rast als feuriger Komet mit gefletschten Zähnen auf die Erde zu – als hätte das Magazin mit dem Wachtturm der Zeugen Jehovas fusioniert, wie der Satiriker Bernd Zeller spöttelt.

„Fassungslosigkeit“, „Schockstarre“, „ungläubiges Entsetzen“ wollen die Korrespondenten und Kommentatoren der Flaggschiffe von Presse und öffentlich-rechtlichem Fernsehen am Morgen nach der Wahl in den USA registriert haben. Damit beschrieben sie vor allem ihre eigene Befindlichkeit, die sich allein am linksliberal-globalistischen US-Establishment orientierte und einseitig dessen Reaktionen einfing. Am penetrantesten illustrierte diese verengte Sichtweise die Wahlnacht-Berichterstattung von ARD und ZDF. Schon Publikum, Studiogäste und Dekoration waren ganz auf Wahlparty für einen von niemandenm angezweifelten Sieg von Hillary Clinton eingestellt. 

Vergeblich wies der laufend Zwischenergebnisse und Statistiken präsentierende WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn auf die Trendwende hin, die beim clintontreuen US-Sender CNN längst Hauptthema war. Die Moderatorinnen – Susan Link im Ersten, Bettina Schausten im ZDF – klammerten sich bis zuletzt an jeden Hoffnungsschimmer für „ihre“ Kandidatin. „Die ARD zeigt eine Hillary-Clinton-Wahlkampfsendung, die im Wahlkampfgebiet nicht ausgestrahlt wird, während der Wahlkampf vorbei ist“, kommentierte sogar die Welt sarkastisch.

Die Katerstimmung hielt auch am Tag danach an. Die Süddeutsche brachte den allgemeinen Tenor auf den Punkt: „Ein Narzißt, ein notorischer Lügner, ein Sexist, ein Rassist, ein Chauvinist, ein Populist, ein Demagoge“ sei nun „mächtigster Mann der Welt“. Im Zwangsgebührenfernsehen hat man die einseitig abgeklebte Brille gleich aufbehalten. Diskussionssendungen waren auch in der Woche nach der Wahl fast nur mit Kritikern und Gegnern Trumps und ebenso gestimmten Politikern besetzt. Bei Moderatoren und Korrespondenten dominiert ein feindseliger Grundton ohne jeden Anflug von Neutralität. 

Ob dazugelernt wurde, wird das Wahljahr 2017 zeigen 

Während der „President-elect“ noch in der Wahlnacht geräuschlos vom Wahlkampf- in den präsidialen Modus umschaltete, nehmen die Nachrichtenmacher jede Abmilderung seiner zuvor als hetzerisch verurteilten scharfen Wahlkampfforderungen als weiteren Beweis von Wankelmut und Unberechenbarkeit. Während aus den USA gewalttätige Ausschreitungen von Trump-Gegnern gemeldet wurden, verbreiteten sich deutsche Medien über die „Ängste“ von Minderheiten, Schwarzen und Latinos. Zeit-Vize Bernd Ulrich skizziert in einem Leitartikel die Kanzlerin als leuchtende Gegenfigur zum neuen US-Präsidenten und versteigt sich zu der Forderung, jetzt müßten „westliche Werte“ gegen die USA verteidigt werden; bei „liberalen, menschlichen und ökologischen Standards“ dürfe es „keine Kompromisse“ geben.

Dies ist exemplarisch für das Nichtwahrhabenwollen des vom Trump-Sieg ausgehenden Epochenbruchs und die unausgesprochene Furcht, die Abrechnung mit der linksliberalen Elite könnte auf Deutschland und Europa übergreifen. 

Nur langsam arrangieren sich die Wendigeren unter den etablierten Meinungsführern mit der neuen Realität. Bei Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt ist aus dem „Untergang des Westens“ zwischenzeitlich ein „heilsamer Trump-Schock“ geworden. Auch selbstkritische Töne sind vereinzelt zu hören: „Offensichtlich blicken wir, die liberalen Eliten, es schlicht nicht mehr“, gesteht der Stern. „Der Siegeszug der Populisten zeigt, daß sich die politische Tektonik verschoben hat, ohne daß wir es mitgekriegt oder auch nur im Ansatz begriffen hätten.“ 

Die Wirtschaftswoche konstatiert eine „Niederlage des Journalismus“ – „vermutlich auch, weil wir zwar über Trump schreiben, aber kaum jemals mit seinen Anhängern sprechen. Für französische Journalisten und den Front National gilt das ähnlich wie für deutsche und die AfD.“ Ob die Medien daraus etwas gelernt haben und ob, wie Alexander Kissler im Focus verkündet, der „bevormundende Journalismus“ tatsächlich „am Ende“ ist, wird sich im deutschen Wahljahr 2017 zeigen.