© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Pankraz,
Madame Park und die Regierungsfrauen

Parallel zur Nichtwahl Hillary Clintons zur US-Präsidentin spielte und spielt sich in Südkorea ein ähnliches Spektakel ab. Die dort seit 2013 amtierende Staatspräsidentin Park Geun-hye sieht sich einem derart gewaltigen Trommelfeuer von öffentlichen Rücktrittsforderungen und Justizvorwürfen ausgesetzt, daß sie wohl bald von der politischen Bühne verschwinden dürfte. Woche für Woche formieren sich gegen sie Millionen von zornigen Demonstranten. Den Umfragen zufolge hat sie kaum noch zehn Prozent Zustimmung hinter sich.

Dabei sind die Vorwürfe gegen sie durch die Bank diffus und ungeklärt. Sie soll einer langjährigen Freundin die Möglichkeit gegeben haben, sich gleichsam als ihre zweite Hand aufzuführen und in ihrem Namen korruptive Geschäfte mit der Industrie gemacht und höchste Summen erpreßt haben. Die Freundin sitzt in Haft, Frau Park aber beteuert im Parlament unter Tränen ihre Unschuld, sie habe lediglich Fehler gemacht und entschuldige sich dafür. Doch das nützt ihr nichts. Das Volk will ihren Skalp sehen.

Ähnlich erging es im Sommer dieses Jahres der Präsidentin Brasiliens, Dilma Vana Rousseff. Sie wurde der Korruption beschuldigt, es gab rapide anschwellenden Zorn, Rousseff wies alle Vorwürfe zurück, doch der verfassunsgmäßig zuständige Bundessenat setzte sie trotzdem ab, ohne freilich ein Verfahren gegen sie zu eröffnen. Etwas mehr Glück hatte ihre Amtskollegin, die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, die ebenfalls schwerster Korruption bezichtigt wurde und letzten Dezember „nur“ legal abgewählt wurde, obwohl sie ansonsten recht erfolgreich regiert hatte.


Immerhin, sowohl Rousseff als auch Kirchner wurden entfernt, ohne dabei ihr Leben zu verlieren, und auch Frau Park wird wohl körperlich unversehrt davonkommen, sehr im Gegensatz zu den legendären Regentinnen von Indien beziehungsweise Pakistan, Indira Gandhi und Benazir Bhutto, die beide grausamen Mordanschlägen zum Opfer fielen. Einiges scheint sich in den letzten Jahren also doch zum Besseren gewendet zu haben. Dennoch bleiben, was weibliche Regierungschefs betrifft, einige Konstanten erkennbar, die sich von Indira Gandhi bis Hillary Clinton hinziehen und die näher zu betrachten sich lohnt. 

Weibliche Regierungschefs, so zeigt sich, waren bisher meistens „Stellvertreter“, was hier ganz ohne Abwertung oder Minimierung gemeint ist. Sie folgten nicht primär vorgegebenen politischen Programmen oder Ideologien, sondern setzten konsequent das fort, was bereits ihre Ehemänner oder Väter als Regierungschefs betrieben hatten. Indira Gandhi war bis in die Feinheiten hinein das weibliche Abbild ihres Vaters Jawaharlal Nehru, Benazir Bhutto kehrte extra aus ihrem Exil in Dubai zurück, um das politische Erbe ihres Vaters, des von seinen Feinden hingerichteten Zulfikar Ali Bhutto, anzutreten und zu bewahren.

Im selben Stil trat in Argentinien Frau Kirchner das Erbe ihres verstorbenen Mannes Néstor Kirchner an. Frau Park in Südkorea ist die Tochter des langjährigen Präsidenten Park Chung-hee, dessen wirtschaftlichen Erfolgskurs sie konsequent fortgeführt hat. Und auch Hillary Clinton paßt in das Schema der „Stellvertreterschaft“, wie immer man die politischen Taten ihres Mannes, des Ex-Präsidenten Bill Clinton, bewerten mag. Sie verkörperte schon als Außenministerin unübersehbar den „Clinton-Trend“ (Neo-Liberalismus plus Imperialismus) und hätte als Präsidentin schwerlich etwas daran geändert.

Stellvertretung bedeutet in der Regel Kontinuität, Bewahrung und Ausbau eines fertigen Nestes, Abneigung gegenüber Revolutionen im eigenen Haus. Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß dem weiblichen Regierungsstil ein deutlich konservatives, stabilisierendes Moment innewohnt, was sich – der jeweiligen Lage entsprechend – positiv oder negativ auswirken kann. Die Positivität überwiegt, es gibt weniger Katastrophen. Ausgesprochen revolutionäre Herrschaftsformen der neueren Geschichte, Bolschewismus, Faschismus, Nationalsozialismus, verlangten entschieden männliches Regierungspersonal.


Ein Blick auf die drei Regentinnen der neuesten Zeit im sogenannten „freien Westen“, also in England und Deutschland, Margaret Thatcher, Angela Merkel und Theresa May, stellt Politologen vor schwierige Fragen. Gewiß, alle drei wurden von ursprünglich konservativ-liberalen Volksparteien aufgestellt, doch keine von ihnen gehört einer erkennbaren Familien- oder

Clantradition an, deren Nest sie hütet und ausbaut. Margaret Thatcher führte zudem sowohl in ihrer Rhetorik als auch bei ihren Entscheidungen einen ausgesprochen männlichen Stil vor. 

Sie führte den Falklandkrieg, kämpfte ungeniert gegen die Macht der einheimischen Gewerkschaften, wehrte sich erfolgreich gegen die Vereinnahmungsgelüste der Brüsseler EU-Bürokratie. Aber interessant: Gerade in dem Eifer und in der Raffinesse ihrer Taktiken trat der typisch weibliche Antrieb ihrer Politik voll zutage. Es war Verteidigungspolitik, energisches Bestreben, die echt britischen Traditionen und Errungenschaften schützen und erhalten zu wollen, statt sie der sogenannten „Globalisierung“ zu opfern. Es war Brexit avant la lettre. Die neue englische Premierministerin May scheint ihr darin zu folgen.

Bleibt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Einzig sie paßt nicht ins Bild vernunft- wie gefühlsgeprägter weiblicher Regierungspolitik, einzig sie kehrt stattdessen den penetranten Oberlehrer heraus, der die ihm Ausgelieferten mit irgendwelchen lebensfremden Ideologien und angeblich globalen Sollenssätzen füttert und alle, die andere Auffassungen haben, mit dem Rohrstock von Sanktionen und Liebesverweigerung bedroht.

Das ist wirklich ziemlich unweiblich, und man möchte solcher Art von Politik fast jene Demonstrantenmassen vors Fenster wünschen, wie sie zur Zeit die arme Frau Park zu ertragen hat. Vielleicht hilft aber auch schon ein Vieraugengespräch mit Theresa May.